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Antwort von Rudolf Trauner (Wirtschaftskammer Oberösterreich) auf: Schluss mit der Diskriminierung von Arbeitslosen!

Aktiver Admin am So., 31.01.2016 - 18:02
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Antwort

Sehr geehrter Herr Mag. Ing. Mair,

ich bestätige den Erhalt Ihres Schreibens und darf wie folgt darauf antworten:

  • Ich verstehe Ihre anfängliche Verwunderung über die 2.900 Euro netto, die der oberösterreichische Gerüstebauer den Arbeitslosen geboten hat. Auch wir haben genau nachgefragt, weil wir es nicht für möglich gehalten haben, dass sich von 11 Arbeitslosen kein einziger bereit erklärt hat, um diesen Betrag tätig zu werden. Das eigentliche Problem sind also nicht die - real existierenden - 2.900 Euro netto, sondern die Nichtbereitschaft von gleich 11 Arbeitslosen!
  • Auch mir ist klar, dass nicht jeder Arbeitslose diesen – sicherlich nicht ungefährlichen – Job ausüben kann. Aber genau deswegen hat sich ja die Gerüstebaufirma an das AMS gewandt und um die Vermittlung geeigneter Arbeitssuchender gebeten. Mit anderen Worten: Ein Unternehmer, der beim AMS anfragt und dabei auch die zu besetzenden Stellen präzisiert, kann wohl davon ausgehen, dass ihm nicht a priori ungeeignete Arbeitslose geschickt werden, oder?
  • Eine vakante Stelle ist selbstverständlich mit geeigneten Arbeitslosen zu besetzen. Genau das prüft das AMS regelmäßig. In Österreich sind wir weit davon entfernt, dass jemand zu irgendwelchen Jobs gezwungen wird. Unsere Mitgliedsbetriebe berichten uns, dass wir häufig ein ganz anderes Problem haben: Immer wieder versteifen sich Arbeitslose exakt auf jenen Job, den sie vorher ausgeübt haben und lehnen eine Tätigkeit, die nur verwandt ist, ab. Hier muss es meiner Meinung nach Grenzen geben: Keiner will einen HTL-Ingenieur auf einen freien Platz im Lager vermitteln – warum soll aber ein arbeitsloser Tischler nicht vorübergehend auch im einschlägigen Handel beschäftigt werden können? Es gibt - auch in einer Demokratie - nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.
  • Mir ist die bestehende Rechtslage betreffend Berufs- und Entgeltschutz bestens bekannt. Schließlich war es die Wirtschaftskammer, die diese Regelungen durchgesetzt hat. Das Problem dabei ist, dass diese Bestimmungen vom AMS nicht durchgehend exekutiert werden. Genau deswegen kommt es vor, dass eine vakante Arbeitsstelle in einem Tiroler Hotel mit einem arbeitslosen Berliner, nicht aber mit einem arbeitslosen Niederösterreicher besetzt wird.
  • Skandinavien ist für mich tatsächlich ein Vorbild: Hier sind arbeitslose Menschen für den Fall unverschuldeter Arbeitslosigkeit sozial gut abgesichert, haben aber ihrerseits alles zu unternehmen, um möglichst rasch wieder einen Job zu bekommen. Gerne kann ich Ihnen das gewünschte Beispiel geben: Während bei uns die Mobilität mit einer Stunde zum bzw. vom Arbeitsplatz beschränkt ist, werden Arbeitslosen in den skandinavischen Ländern längere Anfahrtszeiten zugemutet. Aus meiner Sicht völlig zu Recht, da ich eine ganze Reihe von Arbeitnehmern kenne, die jeden Tag länger als 2 Stunden zu ihrer Firma unterwegs sind.
  • Sie sprechen von „tausenden Menschen die von der Wirtschaft ihrer Existenzgrundlage beraubt werden, damit noch größere Gewinne aus den verbliebenen Mitarbeitern gepresst werden“. Ich weiß nicht von welchem Land Sie reden, sicher nicht von Oberösterreich. Bei uns gibt es höchste Sozialstandards, viele freiwillige Sozialleistungen, einen Beschäftigungsrekord nach dem anderen und ein in der Regel hervorragendes Betriebsklima.
  • Die längere Beschäftigung älterer Arbeitnehmer ist in der Tat eine Herausforderung: Laut einer aktuellen Studie ist in keinem anderen Land in Europa der Pensionswunsch so groß wie in Österreich – daher sind wir auch Frühpensionseuropameister. Dazu kommt, dass aufgrund des Senioritätsprinzips ältere Arbeitnehmer relativ teuer sind, weshalb ich für eine flachere Einkommenskurve – am Anfang mehr, am Schluss weniger, unterm Strich gleich viel – plädiere. Aber auch die Älteren müssen mitziehen dh etwa ihre Einstellung zur Weiterbildung ändern – bekanntlich hört diese in Österreich ab 40 mehr oder weniger auf.

Ich verstehe, dass Sie als Obmann des Vereines “Aktive Arbeitslose Österreich“ alles tun (müssen), um Ihre Klientel bestmöglich zu vertreten. Gestehen Sie mir das Gleiche für die oberösterreichische Wirtschaft zu und glauben Sie mir: Ein paar Monate in einem Betrieb würden Sie rasch davon überzeugen, dass es – leider – immer wieder Arbeitslose gibt, die sich nur den „Stempel abholen“ und in Wirklichkeit nicht arbeiten wollen. Ich spreche hier stets von einer Minderheit (auch in der Aussendung), der man aber – im Interesse der Mehrheit – den Kampf ansagen muss.

Es würde der Glaubwürdigkeit von Vereinen wie dem Ihren sehr gut tun, wenn auch Sie diese Differenzierung vornehmen. Wer Missstände beim Namen nennt, beleidigt niemanden, sondern verhilft jener Mehrheit zu ihrem Recht, die sich an das Gesetz hält und mit viel Engagement ihren Teil leistet. Für diese sollten wir uns – gemeinsam - stark machen und nicht für jene, die Sozialgesetze nur zu ihrem Vorteil auslegen und sich völlig unsolidarisch verhalten.

 

 

Freundliche Grüße

Rudolf Trauner

Präsident KommR Mag. Dr. Rudolf Trauner
WKO Oberösterreich
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