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Forderungen der Aktiven Arbeitslosen Österreich zum Runden Tisch der Volksanwaltschaft

Submitted by Aktive Arbeits… on Tue, 15.03.2016 - 13:48

(Stand: 15.10.2015)

  1. Aufgaben und Arbeitsweise des Runden Tisches:

    1. Klärung der Aufgaben und Kompetenzen des „Runden Tisches“. Insbesondere sind die Umsetzungskompetenzen bzw. -möglichkeiten sowie der Zeitplan dazu zu klären. Neben dem Thema AMS sind uns aufgrund der Verzahnung durch das neoliberale Aktivierungsregime auch Themen wie Mindestsicherung und Invaliditätspension wichtig.

    2. Die wko soll auch teilnehmen. Laut AK seien die WirtschaftsvertreterInnen oft die blockierende Seite, wenn es um Verbesserungen beim AMS gehe. Es geht darum, der Wirtschaft klar zu machen, dass ein demokratisches und gut funktionierendes AMS auch im Interesse der Wirtschaft ist.

    3. Festlegung eines verbindlichen Plans, welche Themen gemeinsam bearbeitet werden, um eine systematische, strukturierte und zielorientierte Arbeit zu ermöglichen. Natürlich sollen aktuelle Themen und sonstige Anliegen auch eingebracht werden können. Einfach so verschiedene Themen unverbindlich zu diskutieren, das bringt niemandem etwas!

    4. Die TeilnehmerInnen seitens AMS, BMASK, AK und wko verpflichten sich, auch wirklich unbürokratisch Auskünfte entsprechend dem Auskunftspflichtgesetz zu geben und allen TeilnehmerInnen des Runden Tisches zur Verfügung zu stellen. AMS Vorstand Herbert Buchinger hat beispielsweise auf unsere Anfragen nicht geantwortet (siehe Beilage).

    5. Es sollen auch ExpertInnen zu jeweils zu bearbeitenden Fragen eingeladen werden können.

    6. Erstellung eines Protokolls in dem alle Anliegen der Erwerbsloseninitiativen aufgeführt werden und die Reaktion der anderen TeilnehmerInnen darauf, sowie welche konkreten Schritte beschlossen werden. Anliegen der Arbeitsloseninitiativen sollen als Beilage zum Protokoll möglich sein. Es ist für uns inakzeptabel, wenn das, was wir hier vorbringen, nicht offiziell wahrgenommen und dokumentiert wird und auf diese Weise wieder aus der Wahrnehmung verschwindet.

    7. Die Umsetzung der fest gelegten Schritte soll bei den Folgetreffen überprüft werden.

    8. In Berichten der Volksanwaltschaft über den Runden Tisch nennt diese auch die teilnehmenden Arbeitsloseninitiativen, anstatt diese zu verheimlichen und unsichtbar zu machen.

    9. Erstellung eines gemeinsamen Jahresberichts, der in einer gemeinsamen Pressekonferenz präsentiert wird.

    10. Zumindest einmal im Jahr soll ein öffentliches Hearing durchgeführt werden, das auch im Internet gestreamt wird (bei der UNO ist das heutzutage Standard!).

  2. Arbeit der Volksanwaltschaft

    1. Jahresbericht der Volksanwaltschaft:

      1. Schluss mit beschönigenden Statistiktricks: Bereits im Verfahren der Volksanwaltschaft gelöste Beschwerden werden im Jahresbericht an das Parlament als „unberechtigt“ gezählt. Diese Fälle sollen extra ausgewiesen werden. Das ist nicht nur eine Irreführung, sondern auch eine Demütigung der Hilfesuchenden!

      2. Neben der Beschreibung einzelner Fälle soll eine detaillierte Statistik über die Gründe der Beschwerden erstellt werden, um einen genaueren Einblick in die Beschwerdegründe zu geben.

      3. Schluss mit der Missstände beschönigenden und Hilfesuchende demütigenden Darstellung: Hilfesuchende werden als uninformiert dargestellt, die bloß besser über die Rechtslage aufzuklären seien (zuletzt in Zusammenhang mit der Invaliditätspension). Auch werden Hilfesuchende dafür kritisiert, dass sie die Missstände nicht konkret benennen können, anstatt diesen Menschen, die eben keine Rechtsexperten sind, bei der Benennung der Missstände zu helfen.

      4. Der Jahresbericht soll die festgestellten Missstände nicht nur nach der österreichischen Gesetzeslage, sondern auch nach Menschenrechtsstandards bewerten und Verbesserungsvorschläge zur Umsetzung der Menschenrechte enthalten.

    2. Die Volksanwaltschaft soll öfter von ihrem Recht Gebrauch machen, dem Nationalrat Vorschläge zu Gesetzesänderungen zu unterbreiten. Idealerweise sollen diese Vorschläge auch gemeinsam mit VertreterInnen der in Frage kommenden Betroffenenselbstorganisationen gemacht werden. [Als Beilage eine Sammlung von Anträgen von uns an AK usw.]

    3. Rücknahme des Prüfberichts über den Datenschutzskandal beim bfi Salzburg und Klärung der nach wie vor offenen Fragen!

    4. Nachschulung der SachbearbeiterInnen der Volksanwaltschaft, damit diese die Sicht der Betroffenen und Lebensrealität ernst und die Spielräume der Rechtsinterpretation in deren Sinne wahrnehmen, statt nur die bestehenden Verhältnisse zu rechtfertigen.

    5. Ausarbeitung eines verbindlichen Leitfadens zur amtswegigen Anwendung menschenrechtlicher Kriterien bei der Prüfarbeit der Volksanwaltschaft in Zusammenarbeit mit den Betroffenenselbstorganisationen.

    6. Als Grundlage für die Ausarbeitung des Leitfadens soll in Zusammenarbeit mit den Betroffenenselbstorganisationen so rasch wie möglich eine international besetzte Fachkonferenz organisiert werden (spätestens bis Herbst 2016).

    7. Schärfung des gesetzlichen Auftrags der Volksanwaltschaft, der Verfahrensregeln und Berichtpflicht, insbesondere in Hinblick auf Transparenz.

  3. Partizipation beim AMS

    1. Umsetzung des gesetzlich in ILO 122 Absatz 3 (BGBl 355/1972) festgelegten Anhörungsrechts: „Bei der Durchführung dieses Übereinkommens sind Vertreter der Personen, die von den beabsichtigten Maßnahmen betroffen werden, und insbesondere Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in Bezug auf die Beschäftigungspolitik anzuhören, damit deren Erfahrung und Meinung volle Berücksichtigung finden und damit ihre volle Mitarbeit bei der Ausarbeitung dieser Politik und somit die Unterstützung dieser Politik gesichert werden.“ Auch die ILO Empfehlung 202 über den innerstaatlichen sozialen Basisschutz sieht für die Durchführung und Überwachung dieser Richtlinie Konsultationen mit Betroffenenorganisationen vor. Daher hat das AMS dieses Anhörungsrecht in Bezug auf geplante Ziele/Arbeitsprogramme und Richtlinien endlich umzusetzen!

    2. Veröffentlichung aller allgemeinen Richtlinien und Durchführungsanweisungen und Zielvorgaben sowie der Protokolle der AMS-Aufsichtsgremien. Transparenz ist die Grundvoraussetzung der Demokratie, insbesondere wenn es um die Umsetzung von Gesetzen geht, da die Rechtsunterworfenen zumindest ein Recht haben, zu erfahren, welchen Regeln sie unterworfen werden!

    3. Zumindest ein Antrags- und Anhörungsrecht von Arbeitsloseninitiativen in den Aufsichtsgremien.

    4. Möglichkeit für Arbeitsloseninitiativen, in den AMS-Geschäftsstellen so wie AK und bfi Plakate aufzuhängen und Informationsmaterial aufzulegen. Eigene Pinnwände/Schaukästen für Arbeitslosen­initiativen! Ein Recht darauf folgt für uns als VertreterInnen der Versicherten aus der Infor­mations­freiheit nach Artikel 10 EMRK und aus der Gewerkschaftsfreiheit nach ILO! [Mit fadenscheinigen Begründungen hat Mag. Petra Draxl uns schon zwei mal das Aushängen von Plakaten über zwei Wahldiskussionen und eine Arbeitslosenversammlung ( = Betriebsversammlung für Arbeitslose) verweigert]

    5. Während Betriebe des „zweiten Arbeitsmarktes“ 1% der geförderten Lohnkosten an deren Dachverbände für Unternehmerlobbying abzweigen können, erhalten Arbeitslosenorganisationen als Teil der Versichertengemeinschaft gar nichts! Dementsprechende Förderung der Arbeit der Erwerbsarbeitsloseninitiativen gemäß Erläuterung der Regierungsvorlage zu § 34 AMSG. Als Pilotprojekt soll ein selbst verwaltetes Erwerbsarbeitslosenzentrum in Wien mit ausreichenden Ressourcen aufgebaut werden (Peer-to-Peer-Beratung, Arbeitslosenakademie, Arbeitslosenarchiv, …)

  4. Akute/grundlegende Rechtsverletzungen geltenden Rechts (kleiner Auszug)

    1. Rasche Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof EuGH 18.12.2014, C-354/13 – FOA über die aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen AMS-Bescheide, die in weiterer Folge zur Aufhebung des § 56 Abs. 3 AlVG wegen Verstoß gegen Art 136 Abs. 2 dritter Satz B-VG durch den Verfassungsgerichtshof führte und klar stellte, dass nur in besonderen Einzelfällen die aufschiebende Wirkungen verweigert werden darf. Die Erkenntnis wurde mit BGBl I 2015/28 kundgemacht und ist mit 24.1.2015 wirksam. Dennoch liegen uns AMS-Bescheide aus verschiedenen Bundesländern vor, die mit fast gleicher (Pseudo)Argumentation (Behauptung einer „Generalprävention“ als öffentliches Interesse), ohne auf den Einzelfall einzugehen, generell die aufschiebende Wirkung weiter verweigern. Solange dieses auch in anderen Bereichen festzustellende rechtswidrige Verhalten gedeckt wird, kommt den für diesen systematischen Rechtsbruch verantwortlichen Stellen keine Glaubwürdigkeit zu. Dieser Gewaltakt dient offenbar dazu, Menschen zu entmutigen, für ihr Recht zu kämpfen, obwohl es im öffentlichen Interesse ist, dass die BürgerInnen sich gegen Gewalt und Willkür durch die Verwaltung wehren können!

    2. Obwohl seit 1.1.2014 Bundesverwaltungsgerichte über AMS-Bescheide als Berufungsinstanz fungieren, mangelt es nach wie vor den meisten uns vorliegenden AMS-Bescheiden, insbesondere im Falle der existenzgefährdenden Bezugssperren, jeglicher gesetzeskonformer Begründung!

    3. Bezugssperren werden nach wie vor auf reinen Verdacht hin verhängt, obwohl im Gesetz Bezugseinstellungen nur auf konkrete Tatsachen hin verhängt werden dürfen, die ja erst in einem Ermittlungsverfahren mit Parteiengehör festgestellt werden müssen. Benachrichtigungen (die als Ladung zu verstehen sind) enthalten meist keine konkreten Angaben.

    4. Betreuungspläne werden nach wie vor rechtswidrig als „Betreuungsvereinbarungen“ bezeichnet. Oft wird – zur Einschüchterung? – eine Unterschrift verlangt, wird der Vermittlungswunsch nicht korrekt wiedergegeben (meist mit Zusätzen wie „... und Hilfsarbeiten“ oder „... und jede zumutbare Arbeit“) und werden viele andere fragwürdige Textbausteine aufgenommen.

    5. Am zweiten Arbeitsmarkt werden nach wie vor grundlegende ArbeitnehmerInnenrechte missachtet (siehe unseren Bericht „Endstation zweiter Arbeitsmarkt?“). Insbesondere gibt es nach wie vor zahlreiche Probleme mit den „gemeinnützigen Personalüberlassern“.

    6. Zuweisungen zu AMS-Massnahmen werden in aller Regel nach wie vor nicht begründet bzw. werden nur standardisierte Pseudobegründungen (Textbausteine) angegeben. Auch die groß angekündigte Abschaffung der auch nach wissenschaftlicher Evaluation erfolglosen „Aktivierungskurse“ wurde nur teilweise umgesetzt. Den Sparmaßnahmen fallen vor allem die frei gewählten Kurse am freien Bildungsmarkt zum Opfer.

    7. Die Arbeitslosen werden nach wie vor nicht über ihre Rechte aufgeklärt. Selbst der neue Flyer über die „Betreuungsvereinbarung“ (sic!) verschweigt die Rechte der Arbeitslosen!

  5. Weitere Themenfelder mit zum Teil akutem Handlungsbedarf (Auszug)

    1. Aktionsplan zur Verringerung der Anzahl der Bezugssperren. Mit etwas gutem Willen wären mindestens 2/3 der Bezugssperren nach § 10 AlVG vermeidbar!

    2. Freie Kurswahl umsetzen als einfachste Umsetzung der Pflicht zur Begründung von AMS-Massnahmen auf die Erfordernisse des Einzelfalls hin. Das Gesetz und die Rechtsprechung verbieten nicht, sondern fordern sogar, das vor Zuweisung die Betroffenen im Rahmen des Parteiengehörs um Ihre Meinung gefragt werden! Schluss mit der Verschwendung von Versicherungs- und Steuergeldern durch die planwirtschaftliche Befüllung von Massenkursen und Schluss mit der Zielarchitektur, die die Zuweisung von nicht sinnvollen Kursen aus primär statistischen Gründen fördert.

    3. Umgang mit gesundheitlich eingeschränkten Menschen (nach Ablehnung der Invaliditätspension). AMS-Programme bei bfi, BBRZ, pro mente enthalten nach wie vor rechtswidrige Inhalte/Vorgehensweisen. Zunehmende Pathologisierung von Arbeitslosen!

    4. Altersdiskriminierung durch das Programm 50+: Erhöhte Zuweisung von Menschen zum „zweiten Arbeitsmarkt“, obwohl diese, weil sie außer dem Alter keinerlei „Defizite“ aufweisen, nicht zur eigentlichen Zielgruppe gehören.

    5. Aktive Information der Erwerbsarbeitslosen über deren Rechte. Überarbeitung und Ausweitung des Informationsangebotes durch das AMS in Zusammenarbeit mit den Arbeitsloseninitiativen. [Z.B. fehlen auch im neuen Flyer zum Betreuungsplan wichtige Informationen wie das Recht, diesen abzulehnen und das Recht auf korrekte Wiedergabe des Vermittlungswunsches!]

    6. Datenschutz (nach wie vor eher ein Fremdwort). Das AMS, bzw. dessen Kursinstitute, verlangen systematisch von allen Arbeitslosen deren Lebensläufe, obwohl diese als Ganzes nicht dem AMS bekannt gegeben werden müssen! Nach wie vor werden umfangreiche, zum Teil diskriminierende Berichte durch AMS und seine Kursinstitute und sogar Arbeitgeber („zweiter Arbeitsmarkt“) über Arbeitslose angelegt.

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