Sorry, you need to enable JavaScript to visit this website.

Hinweis zu E-Mail-Anfrage: Aus technischen Gründen und aus Gründen des Datenschutzes und der Netzpolitik bitte Google und gmx meiden! Weitere Infos

Stellungnahme zum Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird (2063/A)

Submitted by Aktive Arbeits… on Thu, 13.04.2017 - 15:05

An den
Österreichischen Nationalrat
Ausschuß für Innere Angelegenheiten

Parlament
Dr. Karl Renner-Ring 3
1017 Wien
 

Übermittelt am 13.4.2017

Aktive Arbeitslose Österreich legen als größte Erwerbsarbeitslosenselbstorganisation Österreichs einen starken Fokus auf das Thema Menschenrechte. Aktive Arbeitslose Österreich haben nicht nur als Teil der NGO-Plattform WSK-Rechte am NGO-Hearing der 5. Staatenprüfung über die Umsetzung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte am 19. November 2013 in Genf teilgenommen, sondern sind auch beim NGO-Forum der Europäischen Grundrechteagentur mit dabei.

Der Zugang ressourcenschwacher Menschen und Gruppen zum Recht bzw. zu den Menschenrechten ist für uns ein großes Thema. Gruppen „schwacher Interessen“ haben keine Lobby in der Öffentlichkeit oder in der Politik, weshalb öffentlichkeitswirksame Aktionen in Form kreativ gestalteter Versammlungen oft die einzige Möglichkeit sind, um auf die eigenen Themen und Anliegen aufmerksam zu machen. Eine Einschränkung des demokratischen Grundrechts der Versammlungsfreiheit ist daher besonders kritisch zu sehen, da beim derzeit vorherrschenden System repräsentativer Parteiendemokratie der Zugang „schwacher Gruppen“ zu Politik und Öffentlichkeit immer schwieriger wird.

Angesichts der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für die Demokratie ist die extrem kurze Begutachtungsfrist von nur 2 Wochen völlig inakzeptabel und zeugt vom mangelnden Respekt vor dem Souverän, dem Volk von Österreich, zumal im Rundschreiben des Bundeskanzleramts vom 2. Juni 2008, BKA-600.614/0002-V/2/2008 eine Begutachtungsfrist von 6 Wochen als Mindestmaß festgelegt worden ist!

Eine derart überhastete Anlassgesetzgebung nur wegen einer einzigen und bislang historisch einmaligen Ausnahmesituation – dem umstrittenen Ansinnen eines geplanten Wahlkampfauftritts des türkischen Staatsoberhauptes und Parteiführers Recip Erdogan – massive Beschneidungen demokratischer Rechte vorzunehmen, ist grundsätzlich abzulehnen und zeugt vom massiven Realitätsverlust der politischen Akteure!

In Zusammenhang mit anderen Gesetzesvorschlägen wie dem ebenfalls als Anlassgesetzgebung in Begutachtung geschickten „Staatsfeindeparagrafen“ und dem angekündigten „Überwachungspaket“ ergibt sich ein erschreckend demokratiefeindliches Wirken von Justizminister, Innenminister und anderer Politiker, die für deren verfassungs- und menschenrechtswidrigen Gesetzesentwürfe leider nicht rechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Zu Ziffer 1: §2 Abs. 1 Verlängerung der Anmeldefristen

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist das Erfordernis einer Anmeldefrist nur unter bestimmten Bedingungen mit Artikel 11 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar! Eingriffe in die Versammlungsfreiheit müssen nicht nur verhältnismäßig sein sonder auch notwendig: „Nach der Rechtsprechung des EGMR impliziert der Begriff ‚notwendig‘, dass der Eingriff einem dringenden sozialen Bedürfnis‘. ‚Notwendig‘ ist daher mehr als ‚nützlich‘ oder ‚opportun“.1

Solche Bedingungen wie die Inanspruchnahme von Hauptverkehrswegen (Verkehrsstörungen) oder großer Umfang der Demonstration fehlen aber im Gesetzesvorschlag.

Die Ausweitung der Anmeldefrist wird zudem die Zahl der „Spontandemonstrationen“ erhöhen, bei denen sich eine Anmeldung nicht mehr ausgeht, und die gemäß Verfassungsgerichtshofurteil B2229/94 nur wegen der Nichtanmeldung eben nicht untersagt werden dürfen, was aber aus dem Versammlungsgesetz selbst nicht ersichtlich ist es daher in dieser Hinsicht verfassungswidrig ist!

Die pauschale Erhöhung der Anmeldefristen für ALLE Versammlungen entbehrt jeder sachlichen Grundlage, da bisher beim überwiegenden Teil der Versammlungen die bisherige Frist von 24 Stunden völlig ausreichend war.

Zu Ziffer 2: § 2 Abs. 1a: Anmeldefrist von 1 Woche bei beabsichtigter Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen etc.

Auch hier gilt das unter Ziffer 1 Gesagte: Ein genereller Grund für die undifferenzierte Verlängerung im Ausmaß von 1 Woche entbehrt der Verhältnismäßigkeit und der Notwendigkeit und ist angesichts des Anlassfalls als reine Schikane zu werten. Zudem droht ja gemäß § 13 VG eine Auflösung der Versammlung bloß wegen fehlender Anmeldung der Versammlung!

Die als Begründung genannte internationale Verpflichtung zum besonderen Schutz von Völkerrechtssubjekten wird nicht näher genannt und kann – selbst wenn diese besteht – auch nur von diesen selbst angefordert werden und diesen nicht zwangsweise verordnet werden, weil diese einer Diskriminierung nach Artikel 14 EMRK wegen des sozialen Status gleich käme! Eine derartige Bevormundung von VertreterInnen ausländischer Staaten kann eine Gefährdung der außenpolitischen Beziehungen darstellen und kommt sicher nicht gut am „internationalen Parkett“ an!

Im Begutachtungsentwurf wird auch nicht auf die Rolle als RednerIn oder andere Formen aktiver Teilnahme abgestellt, sondern auch auf die rein passive Rolle einer normalen TeilnehmerIn! Auch kann sinnvollerweise die Anmeldepflicht nur bei beabsichtigter Teilnahme vorgeschrieben werden. Es wird aber nicht immer möglich sein, diese von spontaner Teilnahme nachweislich zu unterscheiden, womit diese Regelung praktisch wertlos ist.

Da Österreich ein international nicht unbedeutender Standort mehrerer internationaler Organisationen ist und diese mitsamt zahlreichen internationalen Konferenzen einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor bilden, läuft Österreich Gefahr nur wegen der Profilierungssucht des Innenministers und anderer Politiker einen wirtschaftlichen Schaden davonzutragen! Alleine das Vienna International Centre beschäftigt über 4.000 Mitglieder!

Vielmehr liegt nahe, dass mit dieser Bestimmung erst die Grundlage für die Untersagung einer Versammlung nach § 6 Abs. 2 (nämlich die Information, dass ein ausländischer Politiker an der Versammlung teilnehmen wird) geschaffen werden soll, wofür – unter Missachtung der Gewaltenteilung – die Bundesregierung zuständig sein soll. Gerade die Schaffung der Möglichkeit (partei)politischer Willkür wäre für den internationalen Standort Österreich nachteilig!

Zu Ziffer 3: § 6 Einschränkung der Versammlungsfreiheit für politische Tätigkeiten von Drittstaatsangehörigen

Auch diese Anlassgesetzgebung steht verfassungs- und menschenrechtlich gesehen auf sehr wackligen Beinen: Die selektive Zitierung der Lehrmeinung – die sich nicht auf konkrete Urteile des EGMR bezieht – vermag auch für diese überschießende Grundrechtseinschränkung keine ausreichende Basis bilden.

Im selektiv zitierten Buch von Grabenwarter/Pabeli wird extra darauf hingewiesen: „die Auslegung der Vorschrift bereitet einige Schwierigkeiten.“ Sowie im Absatz davor: „Diese Bestimmung ist auch für internationale Menschenrechtspakte ungewöhnlich und finde im internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte keine Entsprechung. Die parlamentarische Versammlung des Europarats hat bereits 1977 die Aufhebung des Art. 16 gefordert.“ [Recommondation 799 (1977)] (§ 18 RZ 26)

Wie Grabenwarter/Pabel schreiben, ist der Begriff der „politischen Tätigkeit“ „eng auszulegen“ und auf „Kerntätigkeiten“ zu beschränken ( § 18 RZ 26 ohne Verweis auf konkrete Urteile). Die Teilnahme an Wahlen oder die Abhaltung von formellen Parteiversammlungen der Parteimitglieder mit politischen Tätigkeiten wie das fassen von Beschlüssen gehören dazu, aber sicher nicht Wahlveranstaltungen, bei denen die Wahlwerbung, also die Informationsverbreitung, im Vordergrund steht – und somit auch unter die Informationsfreiheit nach Artikel 10 EMRK fällt – und sich daher auch an jedermensch richtet! Also auch an Menschen die (noch) nicht der jeweiligen politischen Organisation/Richtung angehören!

Da Österreich das Zusatzprotokoll über Einzelbeschwerden bezüglich des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert hat, ist dieser Passus nicht haltbar. Auch verstößt diese Sonderbestimmung gegen Artikel 12 Grundrechtecharta der Europäischen Union und gegen das „ungeschriebene Unionsgrundrecht“!

Auf jeden Fall kann dieser Passus nicht auf EU-BürgerInnen angewandt werden: „Im Hinblick auf den gegenwärtigen Stand der – auch politischen – Integration im Rahmen der Europäischen Union erfasst der Begriff des Ausländers in Art. 16 nicht Unionsbürger mit Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedsstaates. Die Rechte der EU-Ausländern dürfen in einem Mitgliedsstaat der EU daher nicht nach Art. 16 EMRK beschränkt werden.“ (§ 18 RZ 27)

Erschwerend kommt hinzu, dass die angeführten inhaltlichen Kriterien für den Zweck der Versammlung, die zusätzlich zur „politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen“ angeführt werden, sowohl verfassungsrechtlich als auch menschenrechtlich mehr als bedenklich sind. Der Begriff „anerkannte Gepflogenheiten“ öffnet aufgrund seiner Unbestimmtheit der verfassungswidrigen Willkür Tür und Tor und vermag keinerlei sachliche Rechtfertigung für die Einschränkung von Verfassungs- und Grundrechten bieten. Gleiches gilt für die „außenpolitischen Interessen“, die ebenfalls nicht in der abschließenden Aufzählung der Ausnahmebestimmungen in Artikel 11 Abs. 2 EMRK angeführt sind: „Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.”

Und schon gar nicht reicht ein „bloßes Zuwiderlaufen“ aus, sondern es muss eine konkrete Gefährdung der oben angeführten Rechtsgüter vorliegen die notwendigerweise durch die Untersagung der Versammlung zu schützen ist!

Dieser Änderungsvorschlag ist daher eindeutig verfassungswidrig!

Zu Ziffer 4: § 7a Schutzzonen

Auch wenn in konkreten Einzelfällen für Gegendemonstrationen eine „Schutzzone“ angemessen und angebracht erscheinen mag, so stellt die Vorschreibung eines generellen Mindestabstands von 50 Metern eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit dar.

Dazu Grabenwarter/Pabel: „Auch die Verhinderung der Durchführung einer Versammlung an dem von den Organisatoren gewünschten Ort und die Umleitung zu einem anderen Ort können einen Eingriff darstellen, wenn die Zeit und der Ort von ausschlaggebender Bedeutung für die Versammlung sind.“ (§ 23 RZ 71) Der Sinn einer Gegendemonstration ist es aber, für jedermensch sichtbar zu machen, dass das Anliegen der Demonstration, zu der eine Gegendemonstration veranstaltet wird, nicht unwidersprochen hingenommen wird. Inakzeptabel ist die Generalvorverurteilung von „Gegendemonstrationen“ die „zumeist Ausdruck“ dafür sein sollen, „dass die ursprüngliche Versammlung gestört oder ihr Ziel verhindert werden soll.“ Hiermit verletzt der Entwurf eindeutig die Unschuldsvermutung nach Artikel 6 EMRK und zeigt eine demokratie- und menschenrechtsfeindliche Haltung! Für dieses Vorverurteilung gibt es auch keine empirischen Belege, da Zusammenstöße in den vergangenen Jahren die Ausnahme waren. Anderen Menschen die eigene – auch abweichende – Meinung kundtun zu können, genau das ist auch der Sinn der Meinungsfreiheit nach Artikel 10 EMRK!

Die vorgeschlagene Obergrenze für die „Schutzzone“ zeigt recht deutlich, dass es eben nicht um die Sicherheit geht, sondern darum, die Kommunikationsfreiheit einzuschränken. Es wäre zudem ein ziemlich blamables Armutszeugnis für die Sicherheitsbehörden, wenn diese derart große „Sicherheitsabstände“ brauchen um zwei Demonstrationen voneinander zu trennen und den sicheren Ablauf beider Demonstrationen zu gewährleisten!

Zu Ziffer 5, § 16 Abs. 2 Untersagung von Versammlungen durch die Bundesregierung

Völlig inakzeptabel ist es, die Ausübung von Grund- und Menschenrechten in Einzelfällen durch die Regierung untersagen zu lassen, womit der (partei)politischen Willkür Tür und Tor geöffnet wird und die Gewaltentrennung als Grundprinzip des bürgerlichen Rechtsstaates untergraben wird. Hier zeigt der Entwurf wieder seine autoritären Züge, zumal dank sinkender Wahlbeteiligung und steigender Anzahl der nicht wahlberechtigten Menschen die Regierung zumeist gerade rund 30% der Bevölkerung repräsentiert!

Auch das würde dem internationalen Ansehen Österreichs Schaden zufügen und rechtlich beim EGMR einklagbar sein!

Weitere problematische Regelungen des bestehenden Gesetzes:

§ 9 Vermummungsverbot

Unter Missachtung der Unschuldsvermutung nach Artikel 6 EMRK wird durch das Vermummungsverbot unterstellt, dass Menschen, die ihr Gesicht verbergen, strafbare Handlungen im Sinne hätten. Wie Roland Pichler in Juridikum 2012/32 schreibt ist dem keinesfalls so:

„Der Schluss, dass alle Vermummten Straftaten im Sinn hätten, ist verfehlt. Es gibt vielfältige Gründe, auf einer Demonstration nicht erkannt werden zu wollen, etwa das Filmen und Fotografieren der Versammlung durch politische Gegner. So entschied das Landesgericht Hannover1 zugunsten einer vermummten Demonstrantin, welche sich vor Fotoaufnahmen von Rechtsextremist_innen schützen wollte. Das Gericht argumentierte, dass die Alternativen zur Vermummung, nämlich Repressalien seitens des politischen Gegners, bzw. das Fernbleiben von der Demonstration, dass Versammlungsrecht in unzulässiger Weise einschränken würden. Ob ein Vermummungsverbot tatsächlich Ausschreitungen verhindert, ist zudem umstritten. Selbst Befürworter des Vermummungsverbots sehen dessen Umsetzung in Österreich äußerst kritisch. Bei den jeweiligen Gegenständen komme es auf deren objektiven und nicht den subjektiven Zweck an. Demnach würde eine Maske eine Vermummung iSd Gesetzes darstellen, eine Motorradhaube jedoch nicht.“

Die Vermummung stellt daher eine Möglichkeit dar, die Privatsphäre und die körperliche Integrität nach Artikel 8 EMRK zu schützen und kann daher rechtlich nur in einer Grundrechtsabwägung im konkreten Fall mit den Ausnahmetatbeständen nach Artikel 11 Absatz 2 EMRK eingeschränkt werden!

Auch der Europäische Gerichtshof schätzt jede bürokratische Hürde, die Menschen davon abhält das Menschenrecht auf Versammlungsfreiheit in Anspruch zu nehmen für konventionswidrig ein. Katrin Gaßner schreibt dazu in Bezug auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen der Versammlungsfreiheit: „Die Gewichtung der einzelnen Punkte darf jedoch nicht dazu führen, dass jemand aus Furcht vor (selbst geringfügigen) Sanktionen gänzlich darauf verzichtet, seinen Überzeugungen – in diesem Fall durch die Teilnahme an einer Versammlung – Ausdruck zu geben. In der Sache „Ezelin“ führt die Kammermehrheit daher aus:

‚The court considers, however, that the freedom to take part in a peaceful assembly – in this instance a demonstration that had not been prohibited – is of such importance that it cannot restricted in any way, even for an advocate, so long as the person concerned does not himself commit any reprehensible on such an occasion.‘3

Dieser Grundsatz wäre auch laut Roland Pichler immer noch beliebten behördlichen Repressionen nach Demonstrationen in Form von Verwaltungsstrafen und Strafverfahren endlich anzuwenden und diese als Einschränkung der Demonstrationsfreiheit als solche zu erkennen und zu beseitigen!

§ 8

„Ausländer dürfen weder als Veranstalter noch als Ordner oder Leiter einer Versammlung zur Verhandlung öffentlicher Angelegenheiten auftreten.“

Abgesehen davon, dass EU-BürgerInnen hier nicht als „AusländerInnen“ zu werten sind – was leider nicht aus dem Gesetz selbst hervorgeht! – ist diese Einschränkung im Zeitalter der Globalisierung und der von Europa und USA mit verursachten Kriegen und Notstände (Ausbeutung der „Dritten Welt“ durch Konzerne) hervorgerufenen Flüchtlingsströme schon mehr als antiquiert und ist daher ersatzlos zu streichen!

§ 10

„Adressen oder Petitionen, die von Versammlungen ausgehen, dürfen nicht von mehr als zehn Personen überbracht werden.”

Es ist völlig antiquiert in einer Demokratie den EmpfängerInnen einer Adresse oder Petition vorzuschreiben, wie viele Personen diese empfangen dürfen. Dieser antiquierte Paragraf ist zu streichen bzw. besser noch in ein Recht umzuwandeln, da eher die Beschränkung oder gar Verweigerung von Übergaben völlig unnötige Konflikte hervorruft: „Adressen oder Petitionen, die von Versammlungen ausgehen, dürfen auf jeden Fall von mindestens 10 Personen überbracht werden. Die Adressaten haben einen geeigneten Rahmen zur Verfügung zu stellen.”

§ 12

Dass den Behörden das Recht eingeräumt wird, „einen, nach Umständen auch mehrere Vertreter zu entsenden, denen ein angemessener Platz in der Versammlung nach ihrer Wahl eingeräumt und auf Verlangen Auskunft über die Person der Antragsteller und Redner gegeben werden muss” ist in einer rechtsstaatlichen Demokratie sehr antiquiert und zeugt von einer polizeistaatlichen Gesinnung und stellt auch gemäß Rechtsprechung des EGMR einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar, weil dadurch Menschen davon abgehalten werden könnten, ihr Menschenrecht auf Versammlungsfreiheit wahrzunehmen (siehe Anmerkung zu § 9)

Zu zeitgemäßen Demonstrationsformaten gehören auch Versammlungen mit offenen Mikrofon, wo es gegen den Sinn dieser Einrichtung verstoßen würde, nur jene Menschen zu Wort kommen zu lassen, die den VeranstalterInnen namentlich bekannt sind! Hier Behördenvertreter inmitten der Demonstration – womöglich neben dem „offenen Mikrofon! – zu platzieren würde genau den Zweck der Demonstration, die freie Rede des Volkes, zerstören! Diese Regelung stammt offensichtlich aus der Monarchie, atmet jedenfalls noch voll den Geist des metternichschen Polizeistaates!

§ 18

„Über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet das Landesverwaltungsgericht.“

Da es sich um ein verfassungsmäßiges Grundrecht handelt das auch durch die im Verfassungsrang stehende EMRK geschützt ist, sollten im Sinne einer einheitlichen und fundierten Rechtsprechung das Bundesverwaltungsgericht zuständig sein.

Im Sinne des freien Rechtszugangs sollte auch der Gang zu Höchstgerichten auch im Falle des Unterliegens kostenlos sein, das der Staat nicht nur aufgrund der Verfassung sondern auch aufgrund völkerrechtlicher Verträge die Versammlungsfreiheit zu garantieren hat und aufgrund der geringen Zahl an untersagten Versammlungen sicher nicht mit einer großen Belastung der Gerichte zu rechnen ist!

Fazit

Aktive Arbeitslose Österreich fordern daher die völlige Rücknahme des völlig überflüssigen und kontraproduktiven Ausschussentwurfes und stellt klar, dass diese Gesetzesänderungen – so wie leider viele andere auch – nicht in unserem Namen beschlossen und exekutiert werden dürfen!

Demokratie ist nämlich NICHT die Diktatur der Mehrheitsparteien - die aufgrund sinkender Wahlbeteiligungen und steigender Anzahl der nicht wahlberechtigten Menschen nur noch rund 30 % der Bevölkerung „repräsentiert“ und somit nicht einmal eine relative Mehrheit darstellen. Die Menschenrechte als Grundlage der Demokratie sind unveräußerbar und dürfen uns von keiner Regierung auf der Welt geraubt werden!

Mit derart schlampigen und gegen die Werte von Demokratie und Menschenrechte gerichteten Gesetzesnovellen untergräbt das Parlament selbst das Vertrauen in den Rechtsstaat und outet sich selbst als objektiver Staatsfeind.

Aktive Arbeitslose fordern daher eine Enquete und einen ordentlichen Begutachtungsprozess mit ausreichender Begutachtungszeit von 3 Monaten um endlich eine grundlegende Modernisierung des Versammlungsgesetzes, in der all die aufgezeigten Verletzungen der im Verfassungsrang stehenden EMRK und sonstiger moderner rechtsstaatlicher Grundsätze einer demokratischen Gesellschaft beseitigt werden, durchzuführen!

Unsere inhaltlichen Forderungen:

Bezüglich der Novelle

  • Keine generelle Verlängerung der Anmeldefristen, Klarstellung dass auch „Spontandemonstrationen“ gesetzeskonform sind, solange die Ausnahmetatbestände nach Artikel 11 Absatz 2 EMRK nicht erfüllt sind. (§ 2)

  • Keine besondere, noch weiter verlängerte Anmeldefrist für Demonstrationen, bei denen VertreterInnen ausländischer Staaten / Organisationen teilnehmen. (Streichung § 2 Abs. 1a)

  • Keine Erfindung von Untersagungsgründen die nicht durch Artikel 11 EMRK gedeckt sind! (Streichung § 6 Abs. 2)

  • Keine Einführung von schikanösen „Schutzzonen“ (Streichung § 7a)

Bezüglich des Versammlungsgesetzes:

  • Aufhebung der Beschränkungen für AusländerInnen (Streichung § 8)

  • Aufhebung des Vermummungsverbotes (Streichung § 9)

  • Keine Vorabbeschränkung von Delegationen für die Übergabe von Adressen und Petitionen (Streichung oder Überarbeitung § 10)

  • Keine Platzierung von Behördenvertretern in einer Demonstration, keine vor Ort Auskunftspflicht über RednerInnen (§ 12)

  • Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Beschwerden, keine Kosten bei Höchstgerichten (Überarbeitung § 18)

Mit basisgewerkschaftlichen Grüßen

Mag. Ing. Martin Mair Karin Rausch
Obmann „Aktive Arbeitslose Österreich“ Kassierin „Aktive Arbeitslose Österreich“

1Geißler Katrin: Die Rechtsprechung zur Versammlungsfreiheit im internationalen Vergleich, Tübingen 2012, Seite 169

2http://www.juridikum.at/fileadmin/user_upload/ausgaben/juridikum_3-2012.pdf

3Ezelin gegen Frankreich, Serie A, no 202, S. 20, Abs. 53
 

Weitere Informationen
Schlagworte
Location reference