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Grünes Hearing mit Bundespräsident Heinz Fischer - Antworten auf offene Fragen

Soumis par Aktive Arbeits… le mar, 14.04.2015 - 11:35

43. Frage

Sehr geehrter Hr. Bundespräsident,

ich erlaube mir Sie zu fragen, ob Sie uns Arbeitslosen helfen werden, unsere qualvolle und rechtlose Situation zu verbessern? Arbeitsrechtsexperten, die unsere Gesetzeslage für menschenrechtswidrig halten, brachten bereits Klagen beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ein.

Mit der Rekordarbeitslosigkeit kam es nicht zu den nötigen politischen Hilfsmaßnahmen, nein, es stiegen die Bezugssperren des Arbeitslosengelds und der Notstandshilfe. Nach Angaben des AMS wurden im Vorjahr 93.000 Sperren verhängt, im Jahr 2000 waren es noch knapp 56.000. D.h. 93.000 Mal, also rund jedem Fünften, wurde seine Lebensgrundlage entzogen und das bis zu 8 Wochen lang. Das bedeutet für die Betroffenen und ihre Familien größte psychische und physische Belastungen und existentielle Bedrohung: Kein Geld für lebensnotwendige Nahrungsmittel, Miete, Heizung, Fahrscheine, Anwälte... und damit auch die Gefahr völlig entrechtet in Armut und Obdachlosigkeit abzugleiten.

Um den üblichen, demütigenden Vorverurteilungen vorzugreifen - wie viele Arbeitslosen-Selbsthilfevereine, Internetforen und Anwälte berichten, kommen diese Sperren keineswegs nur durch Arbeitsverweigerung, Versäumnisse oder Faulheit zustande, sehr häufig geschieht dies ohne plausiblen Grund und ohne Rechtsgrundlage, mit dem alleinigen Zweck, Arbeitslose illegal aus dem Bezug zu drängen. Wer dann kein Geld für einen Rechtsbeistand hat, hat aber auch keine reale gesetzliche Möglichkeit mehr, dieser Willkür zu entgegnen und ist auf sich gestellt, damit heillos überfordert.

Wie Studien belegen, leidet praktisch jeder Betroffene nach einem Jahr Arbeitslosigkeit unter Depressionen und anderen gesundheitlichen Problemen. Kommen noch ungerechtfertigte Bezugssperren hinzu, ist dies in der ohnehin schwer zu verkraftenden Lebenssituation schwer traumatisierend und eine brutale Existenzbedrohung durch den Staat.

Unser Arbeitslosengeld zählt EU-weit zu den niedersten, Österreich wird sogar durch Hartz IV, das als verfassungswidrig eingestuft wurde, an sozialer Härte übertroffen. Kann sich unser Staat unter solchen Bedingungen denn noch ein "Sozialstaat" und ein demokratischer "Rechtsstaat" nennen oder gilt unser Recht tatsächlich nur mehr für Reiche und Krisen-Gewinner? "

Da es derzeit in vielen Branchen keine Jobangebote gibt, werden Arbeitslose kategorisch unter Androhungen genötigt, völlig sinnlose, aber teure AMS-Maßnahmen zu besuchen oder indiskutable Arbeitsverhältnisse einzugehen. In erster Linie profitieren davon politisch verwobene Kurs-Institute und die Wirtschaft durch Dumpinglöhne, nicht aber die Arbeitsuchenden. Die Maßnahmen und Bildungsangebote sind oft unter jeder Kritik und werden nicht genug kontrolliert. Viele Arbeitslose werden auch durch Daten- und Vertrauensmissbrauch geschädigt.

Zudem gibt es viele Fälle von Schwerkranken, die sogar vom arbeitsmedizinischen Dienst als arbeitsunfähig eingestuft wurden, aber keine Invaliditätspension zugestanden bekommen, weil die PVA Antragsteller oft jahrelang auf menschenverachtende Weise wieder zum AMS zurück abschiebt. Dadurch werden auch viele schwer Erkrankte unter Androhung von Sperren durch Bewerbungstrainings und Vorstellungsgespräche gejagt. Auch AlleinerzieherInnen, die keine Betreuungsplätze finden oder Arbeitslose, die alte und kranke Angehörige zu betreuen haben, sollen letztlich in die Sozialhilfe abgedrängt werden, um Sozialkosten zu sparen, wovon aber niemand leben kann. Gesperrte Arbeitslose, die beim Sozialamt Hilfe suchen, bekommen nach Wochen 200 Euro oder auch gar nichts zugestanden.

Wer Jahre lang hart gearbeitet, Versicherungsleistungen und Pensionsbeiträge eingezahlt hat, müsste beim Eintreten einer Notlage und im Krankheitsfall auch berechtigt sein, soziale und medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen! Das ist nicht mehr gegeben. Erfahrungsgemäß arbeiten viele diese „sozialen“ Institutionen eher gemeinsam daran uns einzusparen.

Werter Hr. Bundespräsident, ich möchte Sie daher fragen, wie Sie zu diesem grausamen, menschenverachtenden Umgang mit Arbeitslosen und Kranken stehen?

Würden Sie sich künftig mehr dafür einsetzen, dass diesem teilweise rechtswidrigen Treiben bei AMS und PVA endlich Einhalt geboten wird, dass diese Stellen mehr kontrolliert werden und hilfebedürftige statt Amtsmissbrauch und schwarzer Pädagogik, künftig die nötige Unterstützung, Rechte und sinnvolle, alternative Angebote erhalten?

Herzlichen Dank im Namen aller Betroffenen!

Heinz Fischer

Ich habe ihre eindrückliche und bewegende Schilderung genau gelesen. Über die schwere Last der Arbeitslosigkeit haben mich schon als Kind meine Eltern informiert, die das in der ersten Republik als junge Menschen selbst erlebt haben. Die Vermeidung bzw. Bekämpfung von Arbeitslosigkeit als eines der zentralen Themen der Politik zu betrachten, hat mich daher schon seit früher Jugend politisch motiviert und ich hatte Verständnis für den berühmten -, und auch oft kritisierten Satz - von Bruno Kreisky, der aus der gleichen Gesinnung heraus gesagt hat: Ein paar Milliarden Schilling mehr an Staatsschulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als ein paar Hunderttausend mehr Arbeitslose.

Dennoch gibt es kein Wunderrezept in den Volkswirtschaften Europas (und auch Österreichs), Arbeitslosigkeit völlig zu vermeiden. Sie können aber versichert sein, dass ich auch in einer kommenden Funktionsperiode alle Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen, nutzen werde, um den Kampf gegen Arbeitslosigkeit zu unterstützen, wobei ich aber zugeben muss, dass ich auf Einzelfälle nicht einwirken kann und meine Unterstützung nur grundsätzlicher und politischer Art sein kann.

Leider hat die Grünpartei geradezu im Orwellschen Sinne ihre Archive bereinigt, sodaß kaum noch sinnvolle Informationen zu finden sind. Auch die Datei mit den nachträglichen Antworten haben die Grünen der Öffentlichkeit entzogen ...

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