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Verfassungsgerichtshof entscheidet: Der gänzliche Ausschluß der Verfahrenshilfe ist verfassungswidrig!

Aktiver Admin am Do., 30.07.2015 - 22:24

Wien, 30.7.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

liebe Freunde,

VfGH erkennt spät aber doch (nach dem bereits vor Jahren von mir – vermutlich aber auch von anderen Kollegen – vertretene Beschwerdeführer derartiges versucht haben), dass der Ausschluss der Verfahrenshilfe außerhalb der Verwaltungsstrafsachen verfassungswidrig ist.

Spät aber doch finden beim Verfassungsgerichtshof Revolutionen, die dann umso mehr gefeiert werden, statt:

Man feiert ein revolutionäres Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25.6.2015, G7/2015.

Der VfGH befand revolutionär:

»Der gänzliche Ausschluss der Gewährung von Verfahrenshilfe in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen, die unter Art6 EMRK fallen, ist verfassungswidrig.«

Einmal mehr fragwürdige und unvertretbare Setzung einer Übergangsfrist (31.12.2016!!!):

Wer sich gefreut hat, freut sich allerdings zu früh: Die Aufhebung tritt Kraft verfassungsgerichtlicher Willkür erst mit 31.12.2016 in Kraft. Bis dahin gilt das menschenrechtlich Art. 6 EMRK widersprechende und verfassungswidrige Recht, d.h. verfassungsrechtliches Unrecht, weiter und ist gegen eine Anfechtung immunisiert. Wie üblich hat der Verfassungsgerichtshof nicht begründet, weswegen er die menschenrechtswidrige Rechtslage, auf die er erkannt hat, so lange weiter in Kraft lässt. Eine Begründung ist auch nicht erkennbar. Dieser Ausspruch ist somit willkürlich.

VfGH setzt EMRK temporär außer Kraft und begeht damit selbst Verfassungsbruch:

Einmal mehr, wie auch schon in früheren Aussendungen ist auf folgendes hinzuweisen:

Die Beibehaltung, ja Immunisierung einer menschenrechtswidrigen gesetzlichen Regelung gegen ihre Anfechtung bis 31.12.2016 durch den Verfassungsgerichtshof führt dazu, dass der VfGH die EMRK deren Art. 15 zuwider und obendrein ohne das darin vorgesehene Procedere außer Kraft setzt:

Artikel 15: Außerkraftsetzen im Notstandsfall
Abs.1: Im Falle eines Krieges oder eines anderen öffentlichen Notstandes, der das Leben der Nation bedroht, kann jeder der Hohen Vertragschließenden Teile Maßnahmen ergreifen, welche die in dieser Konvention vorgesehenen Verpflichtungen in dem Umfang, den die Lage unbedingt erfordert, und unter der Bedingung außer Kraft setzen, dass diese Maßnahmen nicht im Widerspruch zu den sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen stehen.
Abs.2: Die vorstehende Bestimmung gestattet kein Außerkraftsetzen des Artikels 2 außer bei Todesfällen, die auf rechtmäßige Kriegshandlungen zurückzuführen sind, oder der Artikel 3, 4 Absatz 1 und 7.
Abs.3: Jeder Hohe Vertragschließende Teil, der dieses Recht der Außerkraftsetzung ausübt, hat den Generalsekretär des Europarats eingehend über die getroffenen Maßnahmen und deren Gründe zu unterrichten. Er muss den Generalsekretär des Europarats auch über den Zeitpunkt in Kenntnis setzen, in dem diese Maßnahmen außer Kraft getreten sind und die Vorschriften der Konvention wieder volle Anwendung finden.

Der VfGH dürfte daher die Beibehaltung EMRKwidrigen Rechts nur im Falle eines Krieges oder eines anderen öffentlichen Notstandes unter den vorstehend klaren Wortlaut vorgesehenen weiteren Bedingungen aussprechen. Hat der Verfassungsgerichtshof den Fall eines Krieges angenommen oder eines anderen öffentlichen Notstandes? Welchen Krieg, welchen Notstand sieht der Verfassungsgerichtshof?

Versagen der österreichischen Rechtswissenschaft:

Es gibt einen einzigen österreichischen Rechtswissenschaftler (Lachmayer), der sich mit verfehlten Auffassungen zur sogenannten Ergreiferprämie und der diesbezüglichen Praxis des Verfassungsgerichtshofes überhaupt auseinander gesetzt hat, allerdings nicht mit dieser evidenten Verletzung des Rechts der EMRK. Bedauerlicherweise hat er auf einen diesbezüglichen persönlichen Hinweis (der schon nunmehr einige Jahre zurückliegt) meinerseits noch keine Zeit gefunden, dazu etwas zu schreiben. Der Rest der österreichischen Rechtswissenschaft im öffentlichen und Völkerrecht hat, soweit ersichtlich dazu überhaupt kein Problembewusstsein (nämlich zur Handhabung der sogenannten Ergreiferprämie, wonach derjenige, der die Anlassbeschwerde führt dafür belohnt werden soll, wohingegen jene die zu spät kommen bestraft werden; allerdings, wie schon angesprochen, werden auch die bestraft, die zu früh kommen [von wegen: „The early bird …..“)

Die gegenständliche Problematik betrifft auch Bezieher von Arbeitslosengeld, Notstandshilfebezieher und Sozialhilfebezieher

Das Judikat betrifft auch Verfahren vor den Verwaltungsgerichten zu diesen Materien (wie um die zuletzt eingeleitete unsägliche Diskussion um das Arbeitslosengeld hervor kam, gibt es jährlich ca. 100.000 Sperren von Arbeitslosengeld).

Ich empfehle auf jeden Fall - trotz der Immunisierung durch den Verfassungsgerichtshof -  auch bereits jetzt Verfahrenshilfeanträge in den von diesen betroffenen Menschen geführten Verfahren zu beantragen.

Die Übergangsfrist, die der Verfassungsgerichtshof gesetzt hat, widerspricht dem Rechtsstaatlichkeitsgebot der österreichischen Bundesverfassung

Bei Verweigerung der Verfahrenshilfe durch die Verwaltungsgerichte ist die verfassungswidrige Übergangsfrist wegen Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsgebots, das ein Grundprinzip der österreichischen Verfassung ist und nicht einmal durch 2/3-Mehrheit des Nationalrats außer Kraft gesetzt werden darf und eben wegen der schon erwähnten EMRK-Verletzung zu bekämpfen.

Notstandshilfebezieher und Sozialhilfebezieher sind vor dem Verfassungsgerichtshof eben etwas anderes als Banken und ihre Lobby:

By the way: Das verfassungswidrige Hypo-Schulden-Schnittrecht wurde vom Verfassungsgerichtshof ohne Übergangsfrist, d.h. mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Damit der gemeine Steuerzahler, das Kleinvieh, die allgemeinen Bevölkerung, darunter auch Arbeitslose, sofern ihnen noch Einkommensteuer abgezogen werden kann (was dann nicht mehr der Fall ist, wenn der auch wirtschaftlich kurzsichtige Finanzminister das zwar ihm offensichtlich weitesgehend unbekannte aber doch so hoch gepriesene Harz-4-System bekommt), doch schneller zum Zahlen und zum Handkuss kommt und die Hypo-Gläubiger, darunter Banken und Investmentfonds, nicht zu lange warten brauchen.

Da soll noch einer sagen, Juristen, gar die des Verfassungsgerichtshofes, seien nicht empathisch. Das Einfühlungsvermögen für Hypo-Gläubiger ist doch vorhanden. Was will man mehr?

Gilt das VfGH-Judikat auch für Flüchtlinge?

Da Asylverfahren keine Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche sind (so sieht es jedenfalls die Judikatur einschließlich des EGMR) haben die betroffenen Flüchtlinge kein Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK, das auch das Recht auf Verfahrenshilfe verbrieft.

Versagen des EGMR bzw. Verweigerungshaltung:

Es geht ja nur um Menschenleben, Folter und unmenschliche und erniedrigende Behandlung (Art. 3 EMRK) und das Recht auf Freiheit. Mit diesbezüglich eingebrachten Beschwerden sind von mir vertretene Beschwerdeführer gescheitert, obwohl die – nahe liegende – Rechtsmeinung –, dass andere Menschenrechte noch viel mehr als es der Eigentumschutz erfordert, den Schutz eines Ververfahrens erhalten müssen, nicht nur auf meinem Mist gewachsen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt
Dr. Herbert Pochieser eh.
Schottenfeldgasse 2-4
A-1070 Wien

Tel.: ++43 1 5238667
Fax: ++43 1 5238667-10
s1athpochieser.at

Rechtsanwaltscode: R110832

Kanzleistunden:
Mo - Do 9-12 u. 14 - 17; Fr 9 - 12 Uhr
Termine nach telefonischer Vereinbarung

Anmerkung AKTIVE ARBEITSLOSE: Die Regierung hat sich so lange als möglich Zeit gelassen und eine Regelungen der Verfahrenshilfe per spätest möglichen Termin, nämlich dem 1.1.2017, beschlossen.

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