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Staatsbürgerschaftstest: Leider unwahre Behauptungen über soziale Menschenrechte in Österreich

Aktive Arbeits… am Do., 24.03.2016 - 10:30
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Antwort

Sehr geehrter Herr Außenminister Sebastian Kurz,

wir haben den Staatsbürgerschaft-Übungstest Ihres Ministeriums gemacht 1 und mussten dabei fest stellen, dass - abgesehen von der zum Teil ziemlich sinnlosen und schikanösen Formulierung mancher Fragen - Sie zumindest in einem Punkt die Unwahrheit verbreiten: In Frage 13 wird gefragt: "Was macht den österreichischen Rechtsstaat aus?"

Als zweite Antwortmöglichkeit - die laut Auswertung zutreffen soll - steht: "Gesetze dürfen die Grund- und Menschenrechte nicht verletzen".

Das würden wir sehr begrüßen, wenn das so wirklich wäre. Leider sind die meisten Menschenrechtskonventionen in Österreich eben nicht im Verfassungsrang, insbesondere soziale Menschenrechte nicht. Deshalb hat Univ. Prof. Ewald Wiederin als Zusammenfassung der Frage nach der Umsetzung der sozialen Menschenrechte in einem Aufsatz geschrieben: „Österreich zählt in der Tat zu den letzten Staa­ten der Erde, die ihre Bürger und Einwohner ohne Verfasssungsbruch verhun­gern lassen können.“ 2

Gerade im Sozialbereich, insbesondere beim AMS, der Mindestsicherung und der Invaliditätspension zeichnet sich die Republik Österreich dadurch aus, dass hier insbesondere durch das administrative Massenverbrechen (siehe Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem) der permanenten Androhung Existenz vernichtender Sanktionen, die Menschenrechte und die Menschenwürde mit Füßen tritt. 3

Deshalb wird Österreich auch immer wieder von der UNO gemahnt, doch endlich die sozialen Menschenrechte in den Verfassungsrang zu heben und diese auch wirksam umzusetzen.4
Wir möchten daher wissen:

  • Warum verlangen Sie von Menschen, die um die Staatsbürgerschaft ansuchen, dass diese an Unwahrheiten glauben und diese wiedergeben müssen?

  • Wie ist das mit einem demokratischen Rechtsstaat vereinbar?

  • Werden Sie weiterhin darauf beharren, dass Menschen Unwahrheiten lernen müssen um die Staatsbürgerschaft zu erhalten?

  • Warum sollen MigrantInnen in einer Demokratie der Jetztzeit viele Fragen über die Zeit der Monarchie beantworten können?

  • Glauben Sie wirklich, dass der/die durchschnittliche "Österreicher/in" diesen Test bestehen würde? Die Fragen passen oft eher in ein politikwissenschaftliches Seminar, weil sie so gut wie keinen Lebensbezug haben.

Werden Sie den Test auch ansonsten kritisch prüfen und die zum Teil weltfremden Fragen überarbeiten?

Wir bitten uns mitzuteilen, wenn Sie diesen Test der Realität angepasst haben.

Im übrigen fragen wir uns, woher die "Republik Österreich" sich das Recht nimmt, über die von der Wirtschaft diskriminierten und ausgeschiedenen Menschen mit Lüge und Gewalt zu herrschen und uns, die wir doch über viele Jahre hinweg brav Steuern gezahlt und in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, permanent mit dem Existenzentzug durch auf reinen Verdacht hin verhängte Existenz gefährdende Bezugssperren zu bedrohen?

Auf der anderen Seite haben die SchreibtischtäterInnen in den Amtsstuben selbst keinerlei Sanktionen zu befürchten, wenn diese die Menschenrechte und sogar das geltende Recht mit Füßen treten. Auch die Politik ist nach wie vor Lichtjahre davon entfernt, das Menschenrecht auf frei gewählte und Existenz sichernde Arbeit für Alle umzusetzen.5 Entsprechend ILO Übereinkommen 122 (BGBl 355/1972) ist nämlich die Regierung verantwortlich für eine Vollbeschäftigungspolitik die uns ermöglicht, das grundlegende Menschenrecht frei gewählter, voller und produktiver Erwerbsarbeit wahrnehmen zu können.

Ganz zu schweigen vom Menschenrecht auf "soziale Sicherheit" …

Mit basisgewerkschaftlichen Grüßen
Ing. Mag. Martin Mair
Obmann "Aktive Arbeitslose Österreich"
 

1http://www.staatsbuergerschaft.gv.at/index.php?id=24

2Ewald Wiederin: Umverteilung und Existenzsicherung durch Sozialversiche­rungsrecht, in: Benjamin Kneihs/Georg Lienbacher/Ulrich Runggladier (Hrsg.): Wirtschaftssteuerung durch Sozialversicherung, 2005

3http://www.aktive-arbeitslose.at/news/20140204_ams-bezugssperrren_sanktionenstatistiken_2013.html

4Soziale Menschenrechte: UNO kritisiert AMS-Sanktionen, niedrige Mindestsicherung und fehlende Mitbestimmung der Betroffenen
http://www.aktive-arbeitslose.at/news/20131209_uno-kritisiert_oesterreich_wegen_verletzung_sozialer_menschenrechte_ams-bezugssperren_mindestsicherung.html

5Österreich hat sich in folgenden internationalen Verträgen zur Umsetzung des Menschenrechts auf frei gewählte Arbeit verpflichtet:

  • UN Menschenrechtserklärung 1948, Artikel 23 [BGBl 120/1956]

  • Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte („WSK-Pakt“), Artikel 6 [BGBl 590/1978]

  • Europäische Sozialcharta [BGBl 1969/460]

  • Europäische Grundrechtecharta, Artikel 14 [Amtsblatt der EU Nr. C 130]

  • ILO Konvention 122 [BGBl 1972/355]

 

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