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Ein Erfolg für die Arbeitsloseninitiativen: UNO kritisiert das Sanktionenregime und die Mindestsicherung

Aktive Arbeits… am Do., 28.11.2013 - 13:39
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Aktive Arbeitslose Organisationsreferentin Karin Rausch beim Staatenhearing in Genf

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erfahrungsbericht von der Staatenprüfung der UNO über Umsetzung sozialer Menschenrechte in Österreich

Martin Mair und Karin Rausch

Der Verein Aktive Arbeitslose setzt einen Schwerpunkt in der Menschenrechtsarbeit. Waren wir bei der „Universellen Menschenrechtsprüfung“ Österreichs im Sommer 2012 erst in letzter Minute dazu gestoßen und konnten nicht mehr zum gemeinsamen NGO-Bericht beitragen, so waren wir bei der theoretisch alle 5 Jahren statt findenden Überprüfung der Umsetzung sozialer Menschenrechte vom Anfang an bei der Plattform WSK-Rechte dabei und haben auch reichlich zum Parallelbericht der NGOs beigetragen.

Wir waren auch Teil der von FIAN1 organisierten NGO-Delegation vor Ort in Genf. Da Genf ein teures Pflaster ist, haben wir über die Internetplattform RBNB eine private Unterkunft bei einem Paar aus Ghana gefunden, das uns in seiner kleinen Wohnung zu einem relativ günstigen Preis aufgenommen hatte. Das Straßenbahnticket vom Flughafen in die Stadt war so teuer, dass wir die kommenden Tage die restlichen Wege zu Fuß gingen – was dank der fußläufig erreichbaren Nähe der verschiedenen Tagungsorte für uns machbar war – und wir auf diese Weise wenigstens die Schönheiten der Stadt aufsaugen konnten. Aber auch die Schattenseiten, wie zum Beispiel die Armenauspeisung, die in einem Lokal gleich vis a vis des Hauptbahnhofs statt fand.

Wir konnten beim offiziellen NGO-Hearing am Montag, den 18. November 2013 vor dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Committee on Economic, Social and Cultural Rights - CESCR) im Palais Wilson zu Wort kommen. Allerdings nur drei Minuten. Dazu mussten wir unser in Wien vorbereitetes Statement in letzter Minute noch ordentlich kürzen. Unser Auftritt war beste Teamarbeit. Gabriele Skokan machte ein Statement zur Armut und die Nahrungshilfe durch die Tafeln, Lisa Sterzinger und Getrude Klaffenböck von der FIAN zum Recht auf Nahrung und über die extraterritorialen Verpflichtungen (Entwicklungshilfe, Investitionen im Ausland).

Vor uns kam allerdings noch Johannes Carniel von der Volksanwaltschaft zu Wort, der seine sieben Minuten deutlich überzog und eher eine Werberede hielt, weil sich die Volksanwaltschaft ja von der UNO die Anerkennung als nationales Menschenrechtsinstitut nach „Pariser Konvention“ erhofft. Den Vogel schossen allerdings VertreterInnen einer Anti-Gentechnik-Initiative ab, die statt drei Minuten mehr als 10 Minuten in mitunter theatralischem Tonfall gegen die Gentechnik wetterten und Unmutsäußerungen beim Komitee hervor riefen. So blieb von den zwei Stunden wenig Zeit für Nachfragen seitens des Komitees. Nach uns kam dann Norwegen zu Wort, wo vor allem Vertreterinnen einer Organisation Psychiatrieerfahrener („We shall overcome“2) Eindruck hinterließen.

Umso wertvoller war dann, dass die FIAN am nächsten Tag in der Mittagspause einen Raum für ein zusätzliches „Lunch-Briefing“ gemietet hatte, wo sich in etwa die Hälfte der Komiteemitglieder zusätzlich Informationen holte.Wir haben dort unter anderem unsere Statistiken zur Entwicklung der Sanktionen präsentiert und das Sanktionenregime näher erläutert. Erfreulich war, dass wir da auf ein sehr Wert schätzendes und großes Interesse von engagierten Kommissionsmitgliedern gestoßen sind. Da fragte doch der Vertreter von sich aus, ob denn die Arbeitslosen vom AMS einbezogen werden und eine Vertretung haben. Auf unsere Antwort, dass nur VertreterInnen von Arbeiterkammer und Gewerkschaften in den Aufsichtsgremien des AMS sitzen und keine direkter Dialog mit den Arbeitslosen statt findet, war die Antwort nur „das sind doch keine VertreterInnen der Arbeitslosen.“

Es war dann geradezu eine Freude für uns, als am Mittwoch, den 20. November 2013, das gut vorbereitete Komitee zum Teil sehr engagiert die rund 20-köpfige Regierungsdelegation mit kritischen Fragen zwickte auf die die hochbezahlten BeamtInnen trotz mitgeschleppter Papierberge nicht vorbereitet waren. Zu den Sanktionen meinte eine Vertreterin des Sozialministeriums, diese seien nur das letzte Mittel und es gäbe strenge Regeln die durch die Gerichte festgelegt seien. Die Vorträge der BeamtInnen waren zum Teil derart oberflächlich und schönfärberisch, dass wir uns geradezu fremdschämen mussten.

Die Österreich-Delegation hatte sogar eigene ÜbersetzerInnen mitgebracht – Deutsch ist keine Amtssprache der UNO und wird daher auch nicht vor Ort übersetzt – weil einige BeamtInnen in Deutsch vortrugen (insbesondere das Innenministerium!). Gar nicht gut kam an, dass auf die Frage, warum die NGOs nicht in die Erstellung des Regierungsberichts einbezogen worden sind, eine Ministeriumsvertreterin nur schnodrig meinte, dass NGOs doch ohnehin selbst Parallel- oder Schattenberichte machen könnten. Auch dass Österreich die sozialen Menschenrechte nicht in die Verfassung aufnehmen will und das Zusatzprotokoll nicht ratifiziert (das uns BürgerInnen Beschwerden im Einzelfall ermöglichen würde) haben die Kommiteemitglieder kritisiert. Ebenso den Bestellmodus und die fehlende politische Unabhängigkeit der VolksanwältInnen.

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NGO-Briefing mit VertreterInnen des UNO-Kommittees für soziale Menschenrechte CESCS (Martin Mair und andere NGO-Vertreter)

Umso erfreulicher war, dass die UNO nicht auf die Ausflüchte einging und erstmals die Einschränkung des Rechts auf freie Berufswahl für Langzeitarbeitslose durch Bezugssperren sowie die Umstände der Verhängung von Bezugssperren kritisierte und einen regelmäßigen und offenen Dialog mit den Arbeitslosen forderte. Die Mindestsicherung wurde ebenfalls kritisiert, weil sie zu niedrig sei und zu große Zugangshürden hätte. Die beim Hearing zuletzt gestellte Frage über die Abschaffung der befristeten Invaliditätspension wurde von der Regierungsdelegation nicht beantwortet und fand leider noch keinen Eingang in die Empfehlungen der UNO.

Leider ignorierten die Medien die Staatenprüfung durch die UNO. Auch wir hatten nicht die Ressourcen, noch eingehende Pressearbeit zu machen. Im Frühjahr 2013 hatte es die wesentlich größere Plattform „Menschenrechte jetzt!“ für die Universelle Menschenrechtsprüfung trotz eigener Pressekonferenz im Presseclub Concordia, der im Parlament angesiedelt ist, auch zu so gut wie keiner Medienberichterstattung geschafft.

Nachher ein aha-Erlebnis, als die FIAN sich recht verschnupft über unsere zuvor angekündigte Presseaussendung zeigte, weil wir Sozialminister Rudolf Hundstorfer wegen der von ihm betriebenen Vollendung des „neoliberalen Aktivierungs- und Arbeitszwangregimes“ durch Mindestsicherung und Abschaffung der befristeten Invaliditätspension als „Menschenrechtsverletzer ersten Grades“ bezeichnet hatten und in einem Nebensatz wahrheitsgemäß erwähnt hatten, Teil der von FIAN organisierten Delegation vor Ort gewesen zu sein. FIAN Österreich distanzierte sich in einem Rundmail an die anderen Mitglieder der Plattform nicht nur, sondern forderte auch, dass nicht nur die Erwähnung der FIAN sondern auch die Erwähnung der Plattform WSK-Rechte in Zukunft abgesprochen werden müsse. Auch in Bezug auf die geplanten Treffen mit Volksanwalt Günther Kräuter will FIAN nicht zu viel auf einmal fordern, weil die FIAN auf (bezahlte) Projekte hofft und Angst darum hat, „den Fuß“ in der Türe zu verlieren.

Möglicherweise hat Genf doch noch Wundersames in der Politik bewirkt: Im neuen Regierungsprogramms lesen wir im Kapitel „Entbürokratisierung und Entlastung“ gleich nach „Vereinfachungen im Arbeitslosenversicherungsrecht“ auf Seite 19 folgende Hoffnung weckende Passage: „Beratung statt Strafe: Grundsatz: Strafen als letztes Mittel im Verwaltungshandeln, Toleranzschwellen werden vorgesehen, Kontrollen erfolgen in angemessener Form.“3

Fazit: Die Erfahrungen die wir in Genf gewonnen haben waren sehr aufbauend und bedeuten für unseren Kampf eine wichtige Rückenstärkung, auch wenn die österreichischen Medien nach wie vor in Sachen Menschenrechte extrem ignorant sind. Vorsicht empfiehlt sich im Umgang mit mittelständischen NGOs, deren Personal von durch Staat und EU finanzierte Projekte abhängen. Sie sind nicht wirklich verlässliche BündnispartnerInnen. Dass wir letztlich selbst um unsere Rechte kämpfen müssen, das sind wir in Österreich ja ohnehin schon gewohnt.

Fußnoten:

1 FIAN = Food in Action Network, Schwerpunkte: Recht auf Nahrung und Ernährungsouveränität

2 http://www.wso.no/

3 Arbeitsprogramm der Österreichischen Bundesregierung http://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=53264

 

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