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Offener Brief an Rudolf Trauner (Wirtschaftskammer Oberösterreich): Schluss mit der Diskriminierung von Arbeitslosen!

Aktive Arbeits… am Do., 25.07.2013 - 15:51
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Antwort

Sehr geehrter Herr Rudolf Trauner,

mit großer Verwunderung lesen wir in Onlinestandard von Ihrer Presseaussendung, in der Sie behaupten, es hätte sich kein Arbeitsloser für einen angeblich mit 2.900 Euro netto dotierten Job als Gerüstebauer gefunden, was Sie als Anlass nehmen, pauschal härtere Zumutbarkeitsbestimmungen zu fordern.

Wir stellen zu Ihrer Presseaussendung fest:

  1. Es klingt verdammt unglaubwürdig, dass für einen Job als Gerüstebauer 2.900 Euro netto geboten werden sein sollen, wenn - wie eine Recherche beim AMS eJob-Room ergibt - für solche Jobs maximal 15,50 brutto die Stunde, also in etwa die Hälfte, geboten werden.
  2. Der Beruf eines Gerüstebauers ist nicht nur verdammt gefährlich, sondern erfordert spezielle Sachkenntnisse. Es ist daher legitim wenn ein Arbeitsloser ohne entsprechende Qualifikationen sagt, "Gerüstebau ist nichts für mich". Kommen Sie denn persönlich für den Schaden auf, wenn ein nicht ausreichend Qualifiziert bei einem Arbeitsunfall zum Krüppel wird? Ihre Forderung, dass Menschen aus "verwandten" Berufen als Gerüstebauer arbeiten sollen, ist daher fachlich völlig daneben.
    Daher steht völlig zurecht im Arbeitslosenversicherungsgesetz dass nur jene Jobs zumutbar sind, für die der/die Arbeitslose ausreichend qualifiziert ist.
    Aus Ihrer Aussendung geht ja auch nicht hervor, ob das AMS denn überhaupt fachlich geeignete Menschen der anfragenden Firma genannt hat.
  3. Es ist auch völlig legitim, wenn ein älterer Arbeitsloser, der keinen Führerschein hat, sagt, dass er diesen nicht nachhole. Denn bis er den Führerschein hat, ist der Job ja wieder vorbei. Außerdem leben wir in einer Demokratie und da darf eben kein Mensch gezwungen werden, einen Führerschein zu machen.
  4. Sie fordern vom Gesetzgeber, dass Arbeitslose auch in verwandten Arbeitsfelder Arbeit aufnehmen müssen, auch wenn die Belohnung unter dem letzten Gehalt liegt. Das entspricht aber bereits der bestehenden Rechtslage, denn den mit der AlVG-Novelle 2004 stark aufgeweichten Berufsschutz gibt es nur noch in den ersten 100 Tagen der Arbeitslosigkeit und er besagt nur, dass durch die Vermittlung in einen anderen Job die bisherige Verwendung nicht wesentlich erschwert werden darf. Somit ist eine Vermittlung in "verwandte" Berufe sehr wohl uneingeschränkt möglich!
  5. Sie behaupten, die österreichischen Zumutbarkeitsbestimmungen seien im Vergleich zu den angeblich erfolgreicheren skandinavischen Ländern viel zu lasch. Ja, können Sie denn uns diese Bestimmungen detailliert nennen, wenn Sie nicht einmal die österreichischen kennen?
  6. Aufgabe des AMS ist es, eine sachgerechte ARBEITSVERMITTLUNG selbst durchzuführen und nicht Daten von irgendwelchen Arbeitslosen weiter zu geben. Vom Gesetz her hat nämlich das AMS nicht das Recht, ohne Zustimmung der Betroffenen personenbezogene Daten an Unternehmen einfach so weiter zu geben.
  7. Sie bezeichnen "mutwillig herbeigeführte bzw. unnötig verlängerte Arbeitslosigkeit als einen "nicht zu tolerierenden Sozialmissbrauch". Dem können wir uns nur anschließen, denn es werden nach wie vor jeden Monat Tausende Menschen von der Wirtschaft ihrer Existenzgrundlage beraubt, nur weil bereits Gewinn bringende Firmen noch mehr Gewinn aus Ihren verbliebenen MitarbeiterInnen pressen wollen. Hier liegt der wahre Sozialmissbrauch!
  8. Die Arbeitslosenversicherung wird in erster Linie von den ArbeitnehmerInnen selbst finanziert, denn auch die "Arbeitgeberbeiträge" stammen zumeist zur Gänze aus dem von den ArbeitnehmerInnen erwirtschafteten Einkommen. Es ist daher nicht einzusehen, warum Arbeitslose als rechtlose Objekte behandelt werden sollen, die sofort nach Ihrer Pfeife zu tanzen haben!

Bei der Gelegenheit weisen wir Sie darauf hin, dass das Recht auf frei gewählte volle und möglichst produktive Arbeit ein grundlegende MENSCHENRECHT ist (siehe ILO-Übereinkommen 122 veröffentlicht als Bundesgesetz 355/1973) und die real existierende Wirtschaft uns dieses Menschenrecht zunehmend verweigert, nur damit eine kleine Minderheit noch mehr Gewinn auf Kosten der Mehrheit macht. Das hat mit echter Demokratie nichts mehr zu tun, denn die Einhaltung Menschenrechte ist eine grundlegende Voraussetzung der Demokratie.

Wie wäre es, wenn Sie auch einmal etwas gegen die systematische und völlig rechtswidrige Diskriminierung älterer Arbeit Suchender durch die real existierende Wirtschaft machen. Am 21. und 23.7.2013 berichtete die Kronenzeitung über einen älteren Arbeitsuchenden, der zuerst wegen seines Alters von 52 Jahren für eine Stelle als Lagerarbeiter zuerst abgelehnt wurde mit dem Verweis, die Stelle sei schon besetzt worden. Darauf bewarb er sich unter einem anderen Namen und um 20 Jahre reduziertem Alter sowie reduzierten Qualifikationen und wurde flugs zum Vorstellgespräch eingeladen. Schreit diese Verlogenheit „der Wirtschaft“, die nur noch „jung und billig“ sucht, zum Himmel?

Mit Ihrer überschießenden und unsachlichen Presseaussendung zeigen Sie uns nur, dass Sie anscheinend dem Peter-Prinzip gemäß bis zur Stufe Ihrer Unfähigkeit aufgestiegen sind und nun auf Kosten der Beitrag zahlenden UnternehmerInnen Ihrer Unfähigkeit erfreuen. Mit Ihrem unsachlichen Gepolter ist niemanden geholfen, auch den UnternehmerInnen nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Ing. Martin Mair
Obmann "Aktive Arbeitslose Österreich"

Weitere Informationen:

Kronenzeitung über (menschen)rechtswidrige Diskriminierung älterer Arbeit Suchender:

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