Sorry, you need to enable JavaScript to visit this website.

Hinweis zu E-Mail-Anfrage: Aus technischen Gründen und aus Gründen des Datenschutzes und der Netzpolitik bitte Google und gmx meiden! Weitere Infos

Anmerkungen zu Eval Häfele "Prekarität als sozialpolitische Herausforderung"

Sonja am Di., 07.02.2017 - 22:33
Angaben zum Brief
Brief Adressat
Brief abgesendet

Dr. Eva Häfele – Nach dem Studium der Ostasienwissenschaften in Wien und Beijing langjährige berufliche Tätigkeit in China, in den USA und im europäischen Ausland. In den vergangenen Jahren selbständige Sozialwissenschaftlerin mit den Schwerpunkten Frauenforschung, Sozial- und Kulturwissenschaft.

Sehr geehrte Frau Dr. Häfele,

vielen Dank für den Tipp „Prekarität als sozialpolitische Herausforderung“ auf der AK-Homepage einsehen zu können. Ich habe Ihre Analyse und Empfehlungen für die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft zur Maßnahmenentwicklung eingehend gelesen und musste mich sehr beherrschen, die über 100 Seiten nicht zu verschlingen. Es hat mich sehr gefesselt und mir ab und zu einen Lacher abgerungen, trotz der ganzen „Prekarität“ von der ich selbst in hohem Maße betroffen bin, nachdem ich 2008 aus dem Ausland nach Vorarlberg zurückgekehrt bin.

Besonders interessant war es, Ihre Ausführungen fast 10 Jahre nach deren Entstehung zu lesen und zu beurteilen:

Was Anregungen zu Kompetenzcheck, Potenzialanalyse, Ausbau des Integrationsleasing anbelangt, scheint doch einiges an Empfehlungen im Lande umgesetzt worden zu sein. Es wäre sehr interessant, wenn diese Analyse aus dem Jahre 2008 eine „Betrachtung der Auswirkungen vom Umsetzen bzw. Nicht-Umsetzen der Empfehlungen“ erfahren könnte.

Gefühlt…… wurden wie so oft, grundsätzlich gute Vorschläge und Ideen dazu benutzt, eigentlich eine Verschlechterung für Arbeitnehmer auf dem 1. Arbeitsmarkt zu erwirken. Es wäre sehr wichtig, das genauer zu untersuchen. Uns/mir scheint, dass das kombinierte Integrationsleasing von den Trägern des 2. Arbeitsmarktes vor allem auch dafür benutzt wird, den ausgebauten 2. Arbeitsmarkt zu legalisieren und zu rechtfertigen, obwohl er schon lange nicht mehr dem ursprünglichen Ziel der Integrierung von Benachteiligten  in den 1.  Arbeitsmarkt dient/bzw. dienen kann.(Siehe wifo-Evaluierungsstudie 11.2014 und Bericht „Hohe Umsätze bei Sozialunternehmen“ von Verbandsprecherin Benedicte Hämmerle, W&W 6.1.2016)

Der ausgebaute 2. Arbeitsmarkt wird vom AMS auch zunehmend genutzt, um bestens qualifizierte ältere Arbeitslose im Kreis der Träger herum zu schieben und gar nicht erst zu versuchen, sie auf den 1. Arbeitsmarkt zu vermitteln oder gar gewünschte Umschulungen zu finanzieren. Das ganze Fördergeld fließt in den 2. Arbeitsmarkt, ein Integrationsleasing, das die letzten verbliebenen frei angebotenen Stellen besetzt und mich als Langzeitarbeitslose immer noch abhängiger von irgendeiner geförderten Betreuung macht. Kompetenzchecks, die man als ältere, erfahrene, selbständige Person nun wirklich auch nicht braucht, aber aufgrund der Hilflosigkeit des AMS in eine umfangreiche Aktivierungsmaßnahme verpackt machen muß, um nicht als gänzlich arbeitsunwillig zu gelten und existenzbedrohend sanktioniert zu werden und erst recht in Delogierung, Schuldenfalle und die Mindestsicherung zu gelangen. Auch hier dann kein Geld für Umschulungs- oder echte Qualifizierungsmaßnahmen – also oft ein Schuss ins Leere (vor allem für Ältere). Ein ausgedehntes Jobcoaching (aktuell bei Aquamühle für 50+), das mich vollkommen sprachlos zurücklässt. Fehlt gerade noch, dass sie dort Dr. M.s Schönheits- und Verjüngungsoperationen bezahlen, damit wir Ältere wieder „fit für den 1. Arbeitsmarkt“ sind, einen Arbeitsmarkt den es in Wahrheit gar nicht mehr gibt. Immer mehr nicht(!) gemeinnützige Firmen lassen nämlich günstig von Integra, Caritas und Co, mit fitten AMS-(Zwangs)zugewiesenen produzieren und qualifizierte Arbeiten erledigen. (Arbeitsplatzvernichtung und Lohndumpingförderung)

Würde man heute diese Analyse machen, müsste man mit großer Wahrscheinlichkeit als einzige sinnvolle sozialpolitische Maßnahme das „bedingungslose Grundeinkommen“ empfehlen. Wie stehen Sie persönlich heute dazu?

Ich weiß noch von keinem „Verein“ im Ländle, der Arbeitslose (freiwillig über das AMS vermittelt) an der  Umsetzbarkeit eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ arbeiten ließe? (Es gibt aber viele Initiativen und Netzwerke bereits dazu.) Wäre damit nicht endlich dieser ewige Kreislauf von letztendlich menschenunwürdigen Maßnahmen durchbrochen – in vielen Lebensbereichen? Ich würde gerne Leute kennenlernen mit denen so ein Verein zu gründen wäre.

Darf ich Ihnen in der Anlage auch einen Brief von „Aktive-Arbeitslose Kärnten“/Dr. Stefan Risto-Donevic und Mag. Andrea Bugge an Bundeskanzler Kern übermitteln? Ich finde er ist sehr gut geeignet, um eine derzeitige Diskussion über die Zukunft des Beschäftigungssystems anzuregen und da ich gescheitert bin damit, bei den Netzwerk-Treffen der AK mit dabei sein zu dürfen, wollen ja vielleicht Sie die interessanten Schriften "Latente Arbeit" und "Grundlegende Anmerkungen zur Beschäftigungs- und Qualifizierungsstrategie 2020+ Kärnten" von Dr. Risto-Donevic aus Kärnten dort einbringen.

Es ist ein schönes Gefühl, Sie in Vorarlberg zu wissen.

Mit lieben Grüßen,

S. E.

Weitere Informationen