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Adieu AMS – ein Resumee

Almira am So., 21.02.2016 - 21:29

Wenn die Wirtschaft Sachzwänge ausübt, müssen diese um der Gerechtigkeit willen reduziert werden, um die Befähigungen der Menschen zu vergrößern, das zu tun, was ihnen wichtig ist.“

Angesichts der Erfahrungen, denen Zigtausende erwerbsarbeitslose Menschen ausgesetzt sind, sobald sie sich der Obhut des AMS anvertrauen, klingt dieser Satz des Ökonomie-Nobelpreisträgers Amartya Sen wie eine sozialromantische Utopie.

Wovon hier die Rede sein soll, ist die staatlich verordnete Diskriminierung und Entrechtung von Menschen, die eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen:

Von den Akteuren des AMS und der öffentlichen Verwaltung sowie von politischen Entscheidungsträgern - unter Mitwirkung des Rechtssystems und sozialer bzw. kirchlicher Institutionen wie der Caritas - werden Menschen, die ihren Platz und ihr Einkommen auf dem Arbeitsmarkt verloren haben, zu Verwaltungsobjekten degradiert und systematisch ihrer persönlichen Rechte und ihrer Menschenwürde beraubt.

Dabei handelt es sich um einen schleichenden Prozess der Aushöhlung von Persönlichkeitsrechten, der mit der Antragstellung beim AMS seinen Lauf nimmt und der geprägt ist von Desinformation und von subtilen Täuschungsmanövern - vom Vertrauensmissbrauch an Menschen in einer Situation existentieller Not.

Wenn ich hier noch einmal aufrolle, was ich als Betroffene - ich bin gesund, sehr gut ausgebildet und arbeite gern - am eigenen Leib und Leben erfahren habe, drängt sich mir in Zusammenhang mit den Erinnerungen an meine Erlebnisse ein Gefühl des Entsetzens auf: All das geschieht vor den Augen der Öffentlichkeit und im Namen eines demokratisch verfassten Rechtsstaates.

Über die Ereignisse in Zusammenhang mit meiner Beschäftigung als ungelernte Hilfskraft in einem Gebrauchtwarenladen der Caritas im Frühjahr 2013 habe ich ausführlich berichtet:

  • Die durch Androhung von Sanktionen erzwungene Ausübung einer mir nicht entsprechenden Tätigkeit, die mir keinerlei Entwicklungschancen bietet

  • Die Einstufung und Bezahlung als ungelernte Hilfskraft, die nur unter Anleitung arbeiten kann (so zu lesen im Kollektivvertrag der Caritas von 2013)

  • Schikanöse Arbeitsbedingungen und mangelnde Gesundheitsvorsorge

  • Eine verpflichtende „sozialpädagogische Betreuung“, deren Bedarf und Berechtigung nie erhoben wurde

  • Die betrügerische Darstellung dieses Dienstverhältnisses auf dem 2.Arbeitsmarkt als Qualifizierung und Integration in den (ersten) Arbeitsmarkt

  • Die Finanzierung solcher Projekte durch Versicherungsbeiträge und öffentliche Fördermittel

  • Eine Gesetzgebung und Rechtssprechung, die diesen Mißbrauch öffentlicher Mittel gegen den Willen der betroffenen Menschen ermöglicht und durchsetzt.

Als ich mein Dienstverhältnis im Carla-Shop nach einem Arbeitsunfall – ich war über die ungesicherte Schwelle zur Lagergarage gestürzt – noch vor Ablauf der Probezeit kündigte, wurde vom AMS eine Bezugssperre von 4 Wochen verhängt, abgesegnet durch einen Regionalbeirat, der aus Vertretern von Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung besteht.

Meine Berufung gegen diese Vorgangsweise wurde nach 4 Monaten abschlägig beschieden, mein Lebensunterhalt für einen Monat wurde nachträglich einbehalten.

Eine Beschwerde bei der Volksanwaltschaft blieb erfolglos.

Was hier in wenigen Sätzen zusammengefasst ist, bestimmte mein Leben über Monate:

Die zeit- und energieaufwändige Auseinandersetzung mit den relevanten gesetzlichen Bestimmungen; das beständige Auf-der-Hut-sein-müssen gegenüber der weiterhin laufenden Betreuung durch das AMS; das existentielle Ausgesetzt-Sein gegenüber einer übermächtigen staatlichen Institution ohne jeglichen rechtlichen Beistand; die Erfahrung des Scheiterns an der menschenverachtenden Willkür eines AMS, das sich meiner kostbaren Lebenszeit bemächtigt und mir persönlichen Schaden zufügt, anstatt seiner gesetzliche Aufgabe nachzukommen: der Existenzsicherung und der effizienten Arbeitsvermittlung.

Wenn ich dieses Erleben zum Ausdruck bringe, so tue ich dies nicht, um mich selbst als Opfer zu stilisieren, sondern um anhand der von mir durchlebten Geschichte die persönlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer strukturellen Gewalt ein Stück weit sichtbar werden zu lassen, der in Österreich mittlerweile etwa 10% der erwerbsfähigen Bevölkerung existentiell ausgesetzt sind und die aus Versicherungsbeiträgen und öffentlichen Mitteln finanziert wird.

Aufgrund meiner Erfahrungen mit dem System AMS hat sich nachträglich eine Erkenntnis herauskristallisiert, welche durch unvoreingenommene Lektüre der von mir und anderen Betroffenen veröffentlichten Berichte und Dokumente leicht nachvollziehbar wird:

Die Situation, in der sich ein Mensch befindet, der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist gekennzeichnet durch Desorientierung - aufgrund mangelhafter oder irreführender Information - über die tatsächlichen rechtlichen Rahmenbedingungen und durch die beständig präsente Androhung von Zwangsmaßnahmen und Sanktionen.

Áuch wenn der Verlust des Arbeitsplatzes nicht als Vergehen geahndet werden kann: Die Unschuldsvermutung gilt für Erwerbsarbeitslose nicht, genauso wenig wie der Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ bei der Nichannahme oder Kündigung einer Beschäftigung, die vom AMS als zumutbar erachtet wird.

Insgesamt hat die Person, die in den Bescheiden und Akteneinträgen des AMS und in den Beurteilungen der Partnerorgansiationen aus mir gemacht wird, nur wenig gemein mit dem Menschen, der ich tatsächlich bin. Was dort dargestellt wird, ist vielmehr geprägt vom verzerrten Menschenbild einer Institution, die ihre eigene Unzulänglichkeit abwälzt auf Menschen, welche sich dagegen nur wehren können, wenn sie bereit sind, dafür ihre Existenzgrundlage aufs Spiel zu setzen.

Dass diese Bedingungen nicht in Einklang stehen mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als unverzichtbarer Grundlage eines demokratisch verfassten Rechtsstaates, bedarf wohl nicht der Erläuterung.

Das systematische Untergraben demokratischer Grundwerte durch die Instutionen eines Staates wie Österreich, das zu den 10 reichsten Ländern der Welt gehört, kann durch nichts gerechtfertigt werden.

Bleibt die Frage zu stellen:

Ist das AMS in seiner gegenwärtigen Verfasstheit überhaupt befähigt, im Sinne der demokratischen Rechte erwerbsarbeitsloser Menschen zu handeln und damit seinem gesetzlich verankerten Auftrag gegenüber der Versichertengemeinschaft gerecht zu werden?

Mag.a Margarita Egghart

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