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Vorarlberger Regierungsprogramm: Eine blassgrüne Männerschrift (1) – Arme und Arbeitslose bleiben unsichtbar

Aktiver Admin am Do., 16.10.2014 - 11:51

Aktive Arbeitslose Österreich vermissen Beteiligung der Betroffenen und verbindliche Zusagen

(Wien/Graz/Feldkirch 16.10.2014) Eine einzige Enttäuschung stellt das von den Herren der ÖVP und Grüne präsentierte Arbeitsprogramm (2) der neuen Vorarlberger Regierung dar: Es strotzt nur so von Allgemeinplätzen, die viele Bemühungen, Bekenntnisse, Prüfungen und Evaluierungen versprechen. Konkrete und überprüfbare Taten, womöglich auch mit konkreten Zahlen zur Finanzierung, bleiben hingegen Mangelware. Besonders Arbeitslose, Arme und Invalide werden wohl weiterhin auf konkrete politische Verbesserungen und auf Mitbestimmung warten müssen.

Keinerlei Antwort auf die Krise der Lohnarbeitsgesellschaft

Im Kapitel „Beschäftigung“ wird die steigende Erwerbsarbeitslosigkeit nach wie vor komplett geleugnet und eine „Rekordbeschäftigung“ beschworen, die auf zunehmende Prekarisierung zurück zu führen ist. Vorarlberg hat ja mit 50,7 die höchste Teilzeitarbeitsquote, bei Frauen! Obwohl die Lohnquote weiter sinkt und die Kapitaleinkommen weiter enorm zu Lasten der ArbeitnehmerInnen steigen, die Grünen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich beklagen, beschwört schwarz-grün unverdrossen: „Leistungen des Wohlfahrtsstaates sind auf Dauer nur aufrecht zu erhalten, wenn möglichst viele Menschen beschäftigt sind“.

Seit Jahrzehnten wird trotz steigender Erwerbsarbeitslosigkeit die „Vollbeschäftigung“ beschworen ohne konkret zu sagen, wo denn die regulären Vollzeitarbeitsplätze geschaffen werden sollen, die ein ordentliches Einkommen garantieren. Wie eine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit und von Einkommen erreicht werden kann, wird nicht einmal andiskutiert.

Vom Bekenntnis zum „zweiten Arbeitsmarkt“, an dem Arbeitslose zu ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse degradiert werden und dank Transitarbeitskräfteregelungen mit niedrigen Pauschallöhnen ohne Anrechnung von Vordienstzeiten und Qualifikationen abgespeist werden, haben Arbeitslose herzlich wenig. Ob diese je den unverbindlich in Aussicht gestellten Mindestlohn von 1.500 Euro brutto sehen werden, bleibt fraglich. Schwarz-Grün setzt Arbeitslosen noch eins drauf indem sie diese mit dem Stigma angeblicher „Vermittlungshindernisse“ und „schwerwiegender sozialer, körperlicher und physischer Folgen“ abstempelt. Die Arbeitslosigkeit (alleine) verursache das, wird blauäugig behauptet, und nicht die strukturelle Gewalt durch AMS und Gesellschaft.

Älteren Arbeitslosen wird implizit unterstellt, eine „besondere Unterstützung“ zu brauchen, um möglichst rasch den „Wiedereinstieg“ zu schaffen. Die Wirtschaft und die öffentliche Hand hingegen, die zu wenig Arbeitsplätze anbieten, werden nicht in die Pflicht genommen oder in Frage gestellt.

Verfolgungsbetreuung für Arme und Arbeitslose?

Geradezu als Drohung dürfen Arme das im Sozialbereich angekündigte „Case-Management“ empfinden, durch das sie von der Obrigkeit „offensiv begleitet und unterstützt“ werden sollen und „in enger Kooperation mit dem AMS“ – wohl nach dem Motto „Arbeit macht frei“ – eine „möglichst rasche Wiedereingliederung in die Arbeitswelt“ und „Rehabilitierung“ (sic!) – als sei Erwerbsarbeitslosigkeit ein Verbrechen – erfahren sollen.

Weiter in neoliberalen BürokratInnenspeak werden „Sozialstrategien mit treffsicheren Maßnahmenpaketen“ mit „modernem Leistungscontrolling“ und „standardisierten Abläufen“ angekündigt. Angebote sollen „einer Überprüfung unterzogen werden“ und es solle „dabei immer die Hilfe zur Selbsthilfe und die Mobilisierung der eigenen Kräfte“ im Vordergrund stehen entsprechend dem neoliberalen Dogma, dass „Erwerbsarbeit eine zentrale Grundlage zur Vermeidung von Armut darstellt“ (und nicht die Rückverteilung des gemeinsam erarbeiteten Reichtums) und daher alles auf einen raschen „Wiedereinstieg in die Arbeitswelt“ abzielen muss. Die Sozialfälle sollen, vermutlich möglichst rasch ohne Rücksicht auf Verluste, auf den Arbeitsmarkt gekippt werden.

Mitbestimmung der Betroffenen schlichtweg nicht vorgesehen

Obwohl allgemein schwarz-grün eine „aktive Beteiligung“ fördern wolle, enthält das schwarz-grüne Regierungsprogramm im Arbeits- und Sozialbereich keine konkreten Ansätze. Nicht einmal die von den Grünen seit Ende der 90er Jahre propagierte Sozial- und Arbeitslosenanwaltschaft wird angedacht, die neben Beratung und Rechtsdurchsetzung auch eine Selbstvertretung der Betroffenen ermöglichen sollte. Ignoriert wird beispielsweise, dass die UNO im Vorjahr einen regelmäßigen und offenen Dialog des AMS mit den Arbeitslosen eingefordert hatte (3), das Sanktionenregime des AMS und die niedrige Höhe der Mindestsicherung und die Zugangshürden zur Mindestsicherung kritisiert hatte.

Als eigenständige, politische Subjekte mit eigenen Rechten kommen Arme, Arbeitslose und andere „Randgruppen“ erst nicht vor. „Eingebunden“ sollen bloß die „Systempartner“ werden.

Dass mit „Integration“ wohl eher Unterwerfung gemeint ist, wird im Kapitel „Integration und Zusammenleben“ sichtbar, wo das Regierungsprogramm „die Ablehnung jeglicher Ausübung von Gewalt, insbesondere im Namen der Religion, die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols“ fordert, den nicht direkt angesprochenen MigrantInnen als ein forderndes, überwachendes und strafendes „wir“ gegenübergestellt wird. Eine unterstellende und rassistische Sprache, die wir sonst von der FPÖ gewohnt sind.

Das Kapitel „Demokratie, Bürgerbeteiligung und Ehrenamt“ fristet ein karges Dasein am Schluss des Regierungsprogramms mit bescheidenen zwei Seiten und stellt – obwohl die Wichtigkeit von Information als Basis von BürgerInnenbeteiligung betont wird – bloß in Aussicht, dass, wenn die Bundesregierung das angekündigte Informationsfreiheitsgesetz nicht beschließe, dessen Einführung auf Landesebene geprüft werden solle. Durchführungsbestimmungen für die im Gesetz recht vage geregelte Mindestsicherung beispielsweise sollen wohl weiterhin für die Rechtsunterworfenen geheim bleiben.

Die Begriffe Menschenrechte und Menschenwürde kommen im Regierungsprogramm erst gar nicht vor, obwohl deren Achtung die Basis echter Demokratie bildet.

Auffallend ist, dass das Regierungsprogramm sprachlich rein in der männlichen Form geschrieben ist und nicht einmal ansatzweise sanft „gegendert“.

Die Grünen: Lost in Space?

Wer einen Blick in das als bunte Broschüre veröffentlichte Wahlprogramm der Grünen Alternative Vorarlberg (4) wirft, wird den gleichen unverbindlichen, nebulösen Wortschwall finden, als käme dieser direkt aus der PR-Abteilung der Landesbürokratie. Arme, Arbeitslose und andere „Randgruppen“ erfahren auch hier keine Aufmerksamkeit. Auch die Thema Menschenrechte und Menschenwürde kommen nicht wirklich vor, obwohl die Grünen sich gerne als Menschenrechtspartei darstellen.

Dass es einmal eine Grünbewegung gegeben haben soll, erscheint für uns vom politischen Schauspiel an den Rand Gedrängten fast schon so ferne, wie dass es eine ArbeiterInnenbewegung gegeben haben soll. Aus den einst aufmüpfigen Grünen ist offenbar eine brave, neoliberale Systempartei geworden, die um jeden Preis mitregieren will und daher auf die vom System als „Überflüssige“ ausgeschiedenen Menschen verzichtet.

Sicher ist, dass Vorarlberg mehr kann und mehr verdient hat, aber nicht auf Basis derart schwacher und unverbindlicher Allerweltsprogramme.

Anmerkungen/Quellen:

  1. Franz Werfel: Eine blassblaue Frauenschrift
    https://de.wikipedia.org/wiki/Eine_bla%C3%9Fblaue_Frauenschrifta>
  2. Vorarlberger Regierungsprogramm
    https://www.vorarlberg.at/pdf/arbeitsprogramm2014-2019.pdf
  3. Soziale Menschenrechte: UNO kritisiert AMS-Sanktionen, niedrige Mindestsicherung und fehlende Mitbestimmung der Betroffenen (9.12.2013)
  4. Visionen, Projekte, Pläne für Vorarlberg. Grünes Programm 2014
    http://vorarlberg.gruene.at/themen/wahlen/dein-vorarlberg-kann-mehr/programm-landtagswahl-vorarlberg-2014.pdf
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