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AMS, Caritas SÖB und das System der Strukturellen Gewalt: Arbeitszwang und Bezugssperren

Almira am Sa., 03.05.2014 - 18:17

Seit dem Bericht über meine Tätigkeit im Carla Shop sind nun einige Wochen vergangen.

Meine Situation hat sich inzwischen entspannt. Das Berufungsverfahren gegen die Bezugssperre wegen meiner Kündigung während der Probezeit ist zwar noch nicht entschieden. Aber meine Einwände gegen die Art der Betreuung durch das AMS wurden berücksichtigt. Das verdanke ich vor allem meiner Betreuerin, die bereit ist, in meinem Interesse die Grenzen ihres Handlungsspielraums auszuloten. Und ihrem Chef, der ihr diesen Spielraum gewährt.

Wes Brot du isst, des Lied du singst

Carla Gröbming GarageEigentlich wollte ich mir ja eine Regenerationspause gönnen und mich ganz der Entwicklung einer neuen beruflichen Perspektive widmen. Doch dann merkte ich: Die Erfahrung sitzt mir noch in den Knochen. Durch den geleisteten Widerstand ist es mir zwar gelungen, mich gedanklich zu befreien. Und ich konnte wohl auch kleine Impulse setzen, die von engagierten MitarbeiterInnen das AMS mit Interesse aufgegriffen werden. Aber solang ich noch von der Geldleistung durch das AMS abhängig bin, kann ich mich dem System mit all seinen Nachteilen nicht entziehen. Und es wäre eine Illusion, nach dem kleinen errungenen Erfolg zu glauben, dass sich dadurch etwas Grundlegendes geändert hat.

Jetzt geht es darum, die errungene Position zu behaupten und den gewonnenen Handlungsspielraum bestmöglich zu nutzen.

Dazu möchte ich mir im zweiten Teil meines Berichtes noch einmal vergegenwärtigen, durch welche Handlungsabläufe und Rahmenbedingungen ich überhaupt in eine so unangenehme Situation des Ausgesetzseins und der Perspektivlosigkeit geraten konnte.

In diesem Zusammenhang werde ich folgende Themen beleuchten:

  • Die Arbeitsweise der SÖB als Auftragnehmer des AMS
  • Den Umgang mit älteren Erwerbsarbeitslosen, die auf besondere Schwierigkeiten stoßen, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, wenn sie einmal herausgefallen sind.
  • Die Strukturelle Gewalt, der besonders ältere und Langzeit-Erwerbsarbeitslose ohne Rückhalt ausgesetzt sind.
  • Die Instrumente, derer sich das AMS und seine Auftragnehmer bedienen, um diese Gewalt auszuüben und damit die Würde der betroffenen Menschen verletzen.

Die Situation der Menschen, die sich in diesem Netz verfangen haben, ist gekennzeichnet durch ein Gefühl der Ausweglosigkeit. Und es scheint nur einen Weg zu geben, sich daraus zu befreien: Sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.

Auf den Almen über dem Tal, wo ich lebe, haben zur Zeit meiner Kindheit die Sennerinnen noch selbst aus dem abgeschöpften Rahm die Butter geschlagen. Da gibt es die Geschichte von einer Maus, die ins Butterfass fällt:

Um sich vor dem Ertrinken zu retten, strampelt sie so lang, bis sie auf der oben schwimmenden Butter Halt findet und herausklettern kann.

Dieser Kampf ums eigene Leben erfordert beständige, ausdauernde Bemühung und intelligenten Einsatz der eigenen Kraft, um sich nicht vorzeitig zu erschöpfen.

Und Solidarisierung mit anderen: Wenn jeder ein Butterflöckchen erstrampelt, stehen die Chancen besser, dass eine neue und tragfähige Basis entsteht.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen

Problemzonen der SÖB

Bevor ich näher auf die Arbeitsbedingungen in den SÖB eingehe, möchte ich kurz die Hauptargumente in meinem Berufungsschreiben zusammenfassen.

1. Ich bin über die Konsequenz einer Kündigung während der Probezeit nicht informiert worden.

Die rechtlichen Grundlagen für Bezugssperren als Sanktion bei Ablehnung einer Maßnahme oder bei Kündigung durch den Dienstnehmer wurden mir allgemein nicht erläutert.

Heute weiß ich: Ich hätte einfach auf einer einvernehmlichen Lösung bestehen müssen, dann wäre mir einiges erspart geblieben. Doch dann hätte ich mich auch nicht so eingehend informiert und wäre vielleicht beim nächsten Mal in die Falle getappt.

2. Die rechtliche Grundlage für die Teilnahme an dem Projekt war für mich nicht durchschaubar.

Ich bin da schrittweise hineingezogen worden. Die Mitarbeit bei Carla wurde mir angeboten als vorübergehende Arbeitsmöglichkeit und mir durch den gewährten Kombilohn schmackhaft gemacht. Erst nach dem Vorstellungsgespräch und nur aufgrund meiner Anfrage wurde mir mitgeteilt, dass es hier um Integration in den Arbeitsmarkt geht, dass ich dabei sozialpädagogisch betreut werden soll und dass eine Ablehnung mit 6 Wochen Bezugssperre sanktioniert wird.

Heute weiß ich: In der Kommunikation mit dem AMS, sei es mündlich oder über die Formulierungen in der Betreuungsvereinbarung, ist allerhöchste Vorsicht geboten.

Besonders wenn es um Maßnahmen geht, ist es wichtig, sich schon bei der ersten Erwähnung selbst umfassend über Inhalt und Trägerorganisation zu informieren.

Die Erklärungen der Betreuerin dazu sind oft beschönigend oder irreführend.

3. Die Begründung für das Dienstverhältnis ist nicht zutreffend.

Da es sich um ein vom AMS und vom Europäischen Sozialfonds gefördertes Beschäftigungsprojekt handelt, muss eine Zielsetzung und ein Betreuungskonzept definiert werden. In meinem Fall gab es keine reale Chance, diesen Vorgaben gerecht zu werden. Und durch meine Unterschrift wurde ich in die missbräuchliche Verwendung von Fördergeldern mit hineingezogen.

Heute weiß ich: Das AMS muss jede Maßnahme auch begründen, vor allem dann, wenn eine Ablehnung seitens des Klienten mit Sanktionen belegt ist. Nur sieht die Praxis leider oft so aus, dass es der Erwerbsarbeitslosen überlassen bleibt, zu prüfen, ob diese Begründung auch zutreffend ist. Wenn ich rechtzeitig Einspruch erhoben hätte, wäre es möglich gewesen, schon im Vorfeld die erzwungene Teilnahme zu verhindern.

4. Durch die Teilnahme an dem Projekt sah ich meine körperliche und psychische Gesundheit gefährdet.

Dabei beziehe ich mich auf die Dequalifizierung und Demütigung durch die erzwungene Ausübung einer Hilfstätigkeit, auf die fragwürdigen Arbeitsbedingungen und auf die mangelnde Vorsorge zur Erhaltung meiner Gesundheit.

Heute weiß ich: Es handelt sich hier um die Verletzung von Grundrechten und Menschenwürde und um Verstöße gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen.

Menschenrechtsverletzungen sind als Bestandteil des AMS-Systems zu betrachten.

Hier kann in rechtlich greifbaren Fällen die Volksanwaltschaft eingeschaltet werden.

Bei Verstößen gegen das Arbeitsrecht sollte das Arbeitsinspektorat informiert werden.

Nach der Zustellung des Bescheides über die Wartefrist, sprich Bezugssperre, habe ich als Betroffene zwei Wochen Zeit, um Berufung einzulegen, während das AMS sich mit seiner Entscheidung darüber im Anschluss bis zu 6 Monaten Zeit lassen kann.

Es ist wichtig, in dem Berufungsschreiben alle verfügbaren Argumente anzuführen. Denn sollte bei negativem Bescheid eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht werden, können dann zusätzliche Argumente nicht mehr eingebracht werden.

Dafür sind zwei Wochen Frist recht knapp. Ich war also froh, dass ich sofort mit meinen Recherchen begonnen hatte, als ich erfuhr, dass ich mit einer Wartefrist rechnen muss.

Dieser Crash-Kurs in Sachen AMS-(Un)Recht und das Verfassen des Schreibens artete in eine Vollzeitbeschäftigung aus, die gut vier Wochen andauerte. Das hängt auch damit zusammen, dass ich von mehreren Problembereichen gleichzeitig betroffen war.

Dabei konnte ich mir einen gewissen Überblick verschaffen verschaffen über die Rahmenbedingungen in sozialökonomischen Betrieben, den ich hier im Zusammenhang noch einmal darstellen möchte.

Wahrscheinlich ist die Sache meist nicht so klar und eindeutig wie in meinem Fall.

Dadurch mag hier ein Bild entstehen, das überzeichnet erscheint.

Für andere Betroffene und in anderen Betrieben werden vielleicht nur einige der beschriebenen Elemente zutreffend sein. Und doch zeigen sich in ihrer Gesamtheit wie in einer Karikatur bestimmte Züge, die für betriebliche Struktur und Organisation der SÖB charakteristisch sind.

Zweiter Arbeitsmarkt: Arbeitnehmer Zweiter Klasse

Transitarbeitskräfte haben, wie der Name schon sagt, befristete Dienstverhältnisse, die mehrfach verlängert werden können. Die Chance, in ein reguläres Dienstverhältnis übernommen zu werden und die Möglichkeit einer beruflichen Weiterentwicklung im Betrieb sind dabei nicht vorgesehen.

Das ist laut SÖB-Richtlinie so beabsichtigt, der Transitcharakter soll gewahrt bleiben, auch wenn die Beschäftigung über einen längeren Zeitraum fortgesetzt wird.

Bezahlt wird nach einem eigens für diesen Zweck eingerichteten Passus im Kollektivvertrag (BABE, BAGS, Caritas). Die Berücksichtigung von Qualifikationen und Vordienstzeiten sowie Gehaltsvorrückungen werden dadurch umgangen.

Ich war zum niedrigsten Tarif beschäftigt: für Hilfskräfte, die nur einfache, schematische Tätigkeiten unter Aufsicht verrichten.

Das entsprach nicht der gelebten Wirklichkeit. Schon am 4. Arbeitstag war ich nachmittags allein im Geschäft, betreute Kunden, nahm Sachspenden entgegen und machte den Tagesabschluss an der Kassa.

Ganz allgemein verletzt die Transitarbeitskräfteregelung das Grundprinzip von Kollektivverträgen und ist als sittenwidrig zu betrachten.

Die Ausstattung mit Arbeitsmitteln und die Arbeitsorganisation habe ich als mangelhaft erlebt. Das Gerät zum Auspreisen der Kleidungsstücke war immer wieder blockiert, und ich musste selbst herausfinden, wie ich es wieder in Gang bringen kann. Die Preisschilder wurden mit Bleistift beschriftet und mehrfach verwendet – ein zusätzlicher Arbeitsaufwand, der durch die Ersparnis an Papier gerechtfertigt wurde. Als Kassa diente ein veraltetes Modell mit gewissen Eigenheiten, die mir keiner so richtig erklären konnte.

Im Lager und in der angeschlossenen Garage brach immer wieder das Chaos aus, weil die täglich hereinflutenden Sachspenden nicht regelmäßig zur Grobsortierung ins Möbellager abtransportiert wurden und der verfügbare Platz für die anfallende Menge nicht ausreichend war.

Eine Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang aufdrängt: Über welche technisch-logistischen Kenntnisse und welches Fachpersonal muss ein Betrieb verfügen, der in der Verwertung von Gebrauchtwaren tätig ist?

Arbeitsrechtliche Bestimmungen wurden nicht eingehalten:.

Es gab keinen Aufenthaltsraum für Pausen, der diesem Namen entsprochen hätte.

Nach meinem Arbeitsunfall wurden keine Maßnahmen getroffen, um solche Unfälle in Hinkunft zu verhindern. Insgesamt war die Gesundheitsvorsorge nicht ausreichend.

Zusammenfassung:

Im SÖB bin und bleibe ich vor allem billige Arbeitskraft, für deren Beschäftigung der Arbeitgeber zusätzlich noch Fördergelder erhält. Es besteht daher wenig Anreiz, die Arbeitszeit durch entsprechende Ausstattung und Organisation effizient zu nutzen.

Aufgrund der Transitregelung besteht auch kein betriebliches Interesse des Arbeitgebers, sich um Weiterentwicklung, Mündigkeit, Selbständigkeit und Gesundheitsvorsorge für die Beschäftigten zu bemühen.

Verpflichtende sozialpädagogische Betreuung

Das war ursprünglich wohl der Ausgangspunkt für die Einrichtung sozialökonomischer Betriebe: Menschen mit Beeinträchtigung, sei es durch Behinderung, Krankheit, Drogenabhängigkeit oder soziale Probleme persönlich zu begleiten und ihnen durch Erfolgserlebnisse und Qualifizierung in einem geschützten Arbeitsraum den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Das spiegelt sich noch in dem Formular für den Abschlussbericht bei Carla.

In solchen Betrieben, die es auch heute noch gibt, geht es tatsächlich um Integration oder zumindest um Teilhabe an der Arbeitswelt im geschützten Bereich, wenn eine Integration in den regulären Arbeitsmarkt nicht möglich ist.

Aus dieser ursprünglich guten Idee ist mit der Zeit der sogenannte 2. Arbeitsmarkt entstanden. Dorthin werden Tätigkeiten ausgelagert, die wirtschaftlich rentabel nicht mehr umgesetzt werden können, wie die Wiederverwertung von Gebrauchtwaren.

Das erinnert ein wenig an die Auslagerung von Betrieben in Billiglohnländer, z.B. in der Textilbranche.

Um in diesen 2. Arbeitsmarkt zu gelangen bzw. zur Zwangsarbeit verpflichtet zu werden, genügt es mittlerweile, über längere Zeit beim AMS als arbeitslos gemeldet zu sein. Dadurch werde ich automatisch als „beeinträchtigt“ eingestuft. Ganz besonders gilt das für ältere Arbeitnehmerinnen, deren Chancen, auf dem gegenwärtigen Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, tatsächlich gering sind. Gerade dann, wenn sie über gute Qualifikationen und umfangreiche Berufserfahrung verfügen.

Nur liegt der Grund für diese Situation nur zum geringeren Teil in der Person der Betroffenen und entzieht sich weitgehend deren Einflussbereich. Entgegen einer immer noch weit verbreiteten Meinung ist hier nicht mehr jeder seines eigenen Glückes Schmied.

Das Hindernis liegt wohl eher in einem wild gewordenen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das sich vor allem an Finanzmärkten und nicht mehr an Menschen orientiert. Auch eine sozialpädagogische Betreuung auf hohem professionellem Niveau, wie sie in der Regel nicht angeboten wird, könnte dagegen nicht viel ausrichten.

Zudem sind Übergriffe auf den Privatbereich im Rahmen eines Dienstverhältnisses sittenwidrig. Die Betreuung darf also nur in Bereichen erfolgen, die mit der ausgeübten Tätigkeit in Zusammenhang stehen.

Da sei dann auch die Frage erlaubt: Wie weit ist die Bezeichnung „sozialpädagogische Betreuung“ überhaupt noch zutreffend. Denn auch in regulären Betriebe, wenn sie gut geführt sind, finden Gespräche über Themen in Zusammenhang mit der Arbeit statt.

Das gehört mit zum Aufgabenbereich einer qualifizierten Führungskraft.

Den Abschlussbericht, der am Ende des Dienstverhältnisses an das AMS übermittelt wird, habe ich im ersten Teil meines Berichtes schon ausführlich besprochen. Diese Weitergabe von Informationen über meine Person verstößt gegen das Verfassungsrecht auf Datenschutz.

Darüber hinaus stellt sich eine grundsätzliche Frage:

Als Ziel der Betreuung wird die Integration in den ersten Arbeitsmarkt angegeben.

Dies wäre vor allem erreichbar durch effiziente Arbeitsvermittlung. Daran ist schon das AMS gescheitert, sonst wäre ich gar nicht erst im SÖB gelandet. Wie soll also eine mir vorgesetzte Sozialpädagogin, die dafür nicht qualifiziert ist, neben ihren anderen Aufgaben auch noch dieses Wunder zustande bringen?

Zusammenfassung

Inhaltlich bleibt für die Rechtfertigung einer sozialpädagogischen Betreuung im Interesse der Beschäftigten nicht mehr viel übrig. Das Arrangement dient vor allem dazu, der SÖB-Richtlinie des AMS gerecht zu werden und so den Fluss der Fördergelder zu gewährleisten.

Im Sinne der Ausübung struktureller Gewalt durch Diskriminierung und Dequalifizierung bietet sich damit lediglich ein Instrument zur Rechtfertigung der Zwangsarbeit.

Mit meiner Unterschrift zur Begründung des Dienstverhältnisses erkläre ich mich damit auch noch einverstanden

Intransparente rechtliche Rahmenbedingungen

Die rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben sich zum Einen aus der Verquickung von Arbeitseinsatz und sozialpädagogischer Betreuung als Voraussetzung für die Förderung der Betriebe und zum Anderen aus der Verflechtung der SÖB mit dem AMS als Auftraggeber und Lieferant von Arbeitskräften.

Ein brisanter Cocktail, der auch einen klaren Kopf vernebeln kann.

Da hilft es, den Umgang mit Verträgen und Vereinbarungen näher anzuschauen.

Zwei Beispiele möchte ich hier herausgreifen:

Die Betreuungsvereinbarung mit dem AMS als zentrales Instrument der Unterordnung, das auch zur Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen verwendet wird.

Die Begründung für ein Dienstverhältnis, die mir im Anschluss an die Unterzeichnung des Dienstzettels bei Carla zur Unterschrift vorgelegt wurde.

Die Betreuungsvereinbarung ist ein ungewöhnliches Dokument: Eigentlich handelt es sich um einen vom AMS verfassten Betreuungsplan mit dem Ziel, den Kunden über die geplante Vorgangsweise zu informieren. Dem wurde die Idee des Einvernehmens hinzugefügt. Nach meinem Verständnis ist der Begriff des Einvernehmens bei dem bestehenden Machtgefälle und in einem Abhängigkeitsverhältnis überhaupt nicht anwendbar. Sobald ich zustimme, stimme ich damit auch einer Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte zu und begebe mich damit noch tiefer in Abhängigkeit.

Es besteht zwar die Möglichkeit, das Einverständnis zu verweigern. Doch sind die Mitarbeiterinnen des AMS offenbar angehalten, eine Zustimmung zu erwirken.

Soweit es um Formulierungen zur Ausgangssituation oder zum Berufs- und Vermittlungswunsch geht, die gemeinsam erarbeitet werden, ist das auch sinnvoll.

Doch ein Teil der Formulierungen ist bereits vorgegeben und kann durch die Betreuerin auch nicht gelöscht werden. Zumindest ist das in der für mich zuständigen Dienststelle so. Die wichtigsten Beispiele, die ich beanstandet hatte, sind:

„Über die Rechtsfolgen wurde informiert.“

„Im übrigen gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen ...“

Weitere Vereinbarungen zum e-AMS-Konto, insbesondere

„Unternehmen, die in der AMS Jobbörse im Internet, dem eJob-Room, registriert sind, können Ihr Inserat, Ihre Kontaktdaten (...) sowie den von Ihnen zur Verfügung gestellten Lebenslauf einsehen und Sie direkt kontaktieren.“

(Auf meinen schriftlichenWiderspruch gegen die Veröffentlichung persönlicher Daten wurde nicht reagiert – da muss ich dann wohl die Datenschutzkommission bemühen)

Deshalb konnte ich der Vereinbarung dann doch nicht zustimmen, obwohl sich die Beraterin bemüht hatte, mir entgegen zu kommen.

Als Begründung wurde angegeben: „...weil ich mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht einverstanden bin“

Mit der Betreuungsvereinbarung, die vorhersehbar alle drei Monate neu erstellt wird, konnte ich schon meine Erfahrungen sammeln. Die Unterzeichnung der Begründung für ein Dienstverhältnis im Carla Shop hat mich dagegen ganz unvorbereitet getroffen.

Das Muster ist ähnlich wie bei der Betreuungsvereinbarung: Mir wird ein vorgegebener Text präsentiert, dessen Inhalt für mich sachlich nur teilweise nachvollziehbar ist. Am Ende steht dann, dass ich mit all dem einverstanden bin. Das Ganze wird mir so dargestellt, als sei es eine Formalität und Bestandteil des Dienstvertrages, den ich schon unterzeichnet habe. Und ich weiß nicht, wohin ich ausweichen könnte.

Mich erinnert das an Keilermethoden der übelsten Sorte. Dabei wiegt am schwersten, dass es unter dem Deckmantel persönlicher Unterstützung geschieht. Nachdem ich nun auch den Abschlussbericht gelesen habe, könnte ich dieser sympathischen und freundlichen Frau wohl nicht mehr in die Augen schauen, ohne zumindest meine Empörung über ihr Verhalten zum Ausdruck zu bringen. Heute würde ich auch meine Unterschrift verweigern und einfach abwarten,was dann geschieht

Erwerbsarbeitslose haben keine Lobby

Besonders zwei Dinge sind mir im Verlauf der letzten Monate deutlich bewusst geworden:

Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten und das Fehlen einer offiziell etablierten Interessenvertretung. Damit sind Erwerbsarbeitslose der Strukturellen Gewalt, die vom AMS-System ausgeübt wir, ohne Rückhalt ausgeliefert.

Bevor eine Bezugssperre verhängt wird, muss der Regionalbeirat dazu angehört werden.

Diesem Beirat gehört jeweils ein Vertreter aus Arbeiterkammer, Gewerkschaft, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und AMS an.

Zumindest die Vertreter von AK und ÖGB müssten doch hellhörig werden, wenn sie meine Geschichte hören – so dachte ich mir. Und verfasste ein Schreiben, in dem ich meine Argumente gegen die Verhängung einer Wartefrist, ergänzt durch eine Rechtsbelehrung, darlegte.

Dennoch wurde ein Bescheid, der mir für einen Monat die Existenzgrundlage entziehen sollte, zügig erlassen. Diese Vorgangsweise wurde offenbar ohne Widerspruch vom Beirat gebilligt.

Das lässt nur einen Schluss zu: Die Interessenverbände, zumindest ihre Vertreter in meiner Region, gehen völlig konform mit einer Arbeitsmarktpolitik, wie sie durch das AMS umgesetzt wird.

Seither lässt mich die Frage nicht los: Wie kann es sein, dass das AMS ganz offen gegen geltendes Recht verstößt, und niemand gebietet dem Einhalt?

Mit einem Einkommen an der Armutsgrenze kann ich mir einen Anwalt nicht leisten, Und meine Rechtsschutzversicherung zahlt in diesem Fall nur eine Beratung.

Auch die Volksanwaltschaft kann erst einschreiten, wenn die Berufung schon abgelehnt wurde. Ich bin also völlig auf mich allein gestellt.

Immerhin ist das AMS eine Einrichtung, die aus öffentlichen Geldern und damit vom Steuerzahler mit finanziert wird. Und die finanzielle Unterstützung ist eine Versicherungsleistung, an deren Zustandekommen alle angestellt Tätigen durch einen Pflichtbeitrag und Selbständige auf freiwilliger Basis beteiligt sind.

Warum findet der Widerstand gegen dieses System dann keine breitere Basis?

Und ich frage mich, ob das schon mal jemand durchgespielt und durchgerechnet hat:

Wenn die AMS-Welt abgeschafft wird und die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bei Bedarf ganz unbürokratisch an Erwerbsarbeitslose ausgezahlt wird:

Wäre das teuer oder billiger?

Und wie würde sich das auf die Zahl der Erwerbsarbeitslosen auswirken?

Den Laden umkrempeln

Wenn Erwerbsarbeitslosigkeit als Bestandteil des bestehenden Wirtschaftssystems schon nicht vermeidbar ist: Wie könnte das dadurch frei werdende Potential zum Nutzen aller besser genutzt werden?

Mit besser meine ich hier: entspannter, kreativer, intelligenter und demokratischer.

Und damit erfolgreicher – auf jeden Fall im Hinblick auf ein erfülltes Dasein.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre da eine Möglichkeit: Die Menschen wären dann frei von Existenzangst und Handlungsdruck, um ihren eigenen Zielen und Ideen zu folgen, auch wenn sie gerade keiner Erwerbsarbeit nachgehen.

Denn es bedarf zuerst eines Innehaltens und der Fähigkeit, sich dem allgemeinen Getriebe zu entziehen, um mit Intelligenz und Schöpferkraft neue Wege zu erkunden und nachhaltige Lösungen zu erfinden.

Doch ich befürchte, dass ich diesen Zustand möglicherweise nicht mehr oder erst im höheren Alter erleben werde. Deshalb muss ich mir etwas anderes ausdenken, das mich bei Laune hält, mich motiviert und inspiriert.

Und wenn es das AMS als Institution schon mal gibt, würde ich einfach die Denkrichtung umdrehen. Und zwar so, dass Erwerbsarbeitslosigkeit zu einer einzigartigen Chance wird für individuelle und gesellschaftliche Erneuerung.

Die bestehenden Einrichtungen wären dann nicht mehr von Unterdrückung und Zwang erfüllt. Sie würden sich wandeln zu einem Think Tank und Experimentierfeld ohne wirtschaftlichen Erfolgszwang, wo vor allem die Fähigkeiten, die Erfahrungen und der Erfindungsgeist der beteiligten Menschen sich voll entfalten können.

So könnten, ganz unbelastet von etablierten Strukturen, neue soziale und ökologische Projekte entstehen. Durch die Entfaltung ihres Potentials würden Erwerbsarbeitslose von diskriminierten Außenseitern zu begehrten Querdenkern, die durch ihre Kreativität und ihren Erfindungsreichtum frischen Wind in etablierte Betreibe bringen.

Ein Garten Eden könnte entstehen.

Almira

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